: Schlechtes Zeugnis für den Paten Strieder
Tempodrom: Berliner Staatsanwaltschaft sieht in der Anklageschrift Exbausenator Strieder als Hauptverantwortlichen des Skandals und als großen Täuscher des Parlaments. CDU will Schadenersatz von Strieder und Sarrazin prüfen lassen
Peter Strieder, ehemaliger SPD-Bausenator, der im Zusammenhang mit der Tempodrom-Affäre Mitte 2004 seine Ämter niederlegte, ist wieder präsent. Präsent in der Weise, dass alle ihm nachgesagten Eigenschaften – Umtriebigkeit, Machtmissbrauch, Drahtziehertum – sich jetzt in der 118 Seiten dicken Anklageschrift der Berliner Staatsanwaltschaft wiederfinden. Es ist kein gutes Zeugnis, was da über den Exbausenator und einstigen SPD-Chef, über den derzeit auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss tagt, zu lesen ist. Kommt es zur Anklage in Sachen Tempodrom, wird es richtig eng für ihn.
Die Staatsanwälte, die dem früheren Bausenator sowie Finanzsenator Thilo Sarrazin Veruntreuung öffentlicher Gelder beim Neubau des Tempodroms vorwerfen und Anklage erhoben haben, sehen laut Anklageschrift in Strieder den Hauptverantwortlichen für den Tempodrom-Skandal. Die Ermittlungen hätten erbracht, dass der Senator die treibende Kraft gewesen sei bei der – womöglich unrechtmäßigen – finanziellen Unterstützung des seit 2001 in Turbulenzen befindlichen Kulturzelts.
Die Neubaukosten des Tempodroms waren zwischen 1999 und 2001 von 16 Millionen auf ca. 32 Millionen Euro geklettert. Das Land übernahm 2000 eine Bürgschaft in Höhe von 12,8 Millionen Euro. Weiter hat Strieder mehrfach die Landesbank Berlin (LBB) angewiesen, das Tempodrom zu bezuschussen. Im Jahr 2000 etwa machte die LBB 1,5 Millionen Euro flüssig. Strieder bestreitet die Vorwürfe der Untreue zu Lasten des Landes.
Nach Zeugenaussagen in der Anklageschrift jedoch soll Strieder dem Tempodrom weitreichende finanzielle Versprechungen gemacht haben – wohl wissend, dass es sich um ein privates, von Tempodrom-Chefin Irene Moessinger initiiertes Bauvorhaben handelt. Dem Exsenator wird auch vorgeworfen, das Parlament nicht informiert, sondern getäuscht zu haben. Dabei soll Strieder die Hilfe des Kollegen Sarrazin in Anspruch genommen haben. Um die Zuwendung für das Tempodrom „nicht aus Haushaltsmitteln“ erbringen zu müssen – was im Parlament sowie in der Öffentlichkeit mit Sicherheit auf Widerstand gestoßen wäre –, verabredeten beide, dies über die Landesbank LBB abzuwickeln und „eine Befassung des Parlaments zu dem Thema zu verhindern“.
Ebenso wie Strieder sieht Thilo Sarrazin in dem ganzen Vorgang den Akt der Rettung eines wichtigen Berliner Projekts und keine Straftat. Die Staatsanwaltschaft schätzt die Rolle Sarrazins nach dem Bericht in der Tat geringer ein. Sarrazin trat im Januar 2002 sein Amt als Finanzsenator an. Wesentliche Fehlentwicklungen beim Tempodrom waren bereits vollzogen. Dennoch wird auch er weiter beschuldigt.
Die CDU-Fraktion kündigte gestern an, dass sie Schadenersatzansprüche gegen Strieder und Sarrazin prüfen lassen wolle. Beide müssten für den finanziellen Schaden des Landes in die Pflicht genommen werden. Einen entsprechenden Antrag will die Fraktion am 9. Dezember ins Abgeordnetenhaus einbringen. Für den Fall einer Verurteilung müssten Vorkehrungen getroffen werden, damit der Schaden im Wege des Regresses ausgeglichen werden könne, sagte Michael Braun. Der CDUler ist Vorsitzender des Tempodrom-Untersuchungsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus.
ROLF LAUTENSCHLÄGER