: „Nahost wird der Test für die US-Außenpolitik“, sagt Gary Smith
Bush wird in der zweiten Amtszeit nicht softer werden – die EU muss trotzdem versuchen, mit ihm zu kooperieren
taz: Herr Smith, Condoleezza Rice wird neue Außenministerin – wird das künftig etwas verändern?
Gary Smith: Wie die taz am Mittwoch geschrieben hat: Das ist keine ganz schlechte Nachricht. Zumindest wird die Regierung zukünftig mit einer Stimme sprechen, und wenn man mit Condoleezza Rice verhandelt, dann spricht man mit dem Präsidenten. Die Position gewinnt an Glaubwürdigkeit. Andererseits hat Condoleezza Rice nicht viel diplomatische Erfahrung – und sie wird nun die höchste Diplomatin der USA. Man kann damit rechnen, dass das State Department ihr Denken beeinflussen wird. Einige institutionelle Spannungen zwischen State Department, Verteidigungsministerium und Nationalem Sicherheitsberater wird es auch weiter geben.
Aber eine geschlossenere inhaltliche Agenda?
Alle neuen Ernennungen sprechen dafür. Bush nimmt Leute, die ihm nahe stehen, denen er vertraut. Er will in seiner zweiten Amtszeit die Kontrolle behalten.
Was heißt das politisch?
Ich glaube nicht, wie manche Kommentatoren, dass Bush in seiner zweiten Amtszeit der Opposition die Hände reichen würde. Ich denke, inzwischen ist klar, dass diese Regierung davon ausgeht, dass sie zwei bis vier Jahre zur Verfügung hat, um so viel wie möglich zu verändern – am besten die Welt. Die Demokratisierung des Mittleren Ostens steht für sie auf der Agenda. Das Gute ist, dass Condoleezza Rice schnell davon gesprochen hat, man müsse die Möglichkeit ausnutzen, die sich jetzt durch den Tod Arafats ergibt. Wir können gottlob damit rechnen, dass die US-Regierung im israelisch-palästinensischen Konflikt konstruktiver agiert. Die Europäer sollen nicht die Hoffnung aufgeben, mit dieser Regierung doch zusammenzuarbeiten.
Worauf soll sich diese Hoffnung denn realistischerweise gründen?
Es gibt zwei Prüfsteine für die transatlantische Zusammenarbeit geben: Iran und Israel/Palästina. Es ist schon ein erstaunliches Zeichen, dass die Iraner kurz nach der US-Wahl wieder auf die Europäer zukamen und plötzlich akzeptierten, was sie vorher abgelehnt hatten. Die Welt hat offenbar wirklich auf den Ausgang der Wahlen gewartet und darauf, ob man es nun mit Richard Holbrooke oder Condoleezza Rice an der Spitze des State Department zu tun haben würde.
Viele sprechen von einer militärischen Überbelastung durch den Irakkrieg. Wenn die Präsenz dort in etwa gleicher Truppenstärke bis auf weiteres gehalten wird, dann bleibt für die Umsetzung anderer außenpolitischer Ziele vor allem die Diplomatie übrig, oder?
Richtig und falsch. Wenn etwa Iran weiter auf seinem Atomkurs besteht, dann greift irgendwann das, was gerüchteweise als „Bolton Plan“ beschrieben wird [nach dem Unterstaatssekretär im State Department, John Bolton – d. Red.] und eine militärische Option nicht ausschließt. Im Notfall werden immer militärische Mittel und Wege gefunden werden. Genauso im Irak: Wenn die Regierung glaubt, 20.000 bis 30.000 Soldaten mehr zu brauchen, dann wird sie die bekommen.
Die Demokraten haben die Wahlen gegen Bush verloren – was wird auf ihrer Seite jetzt passieren?
Die Demokraten haben ihre Wähler mobilisiert wie nie zuvor. Aber: Die Botschaft der Demokraten, die auch auf moralischen Werten basiert, hat niemand wahrgenommen, was auch daran lag, dass der Kandidat sie nicht hat vermitteln können. Das Hauptthema war, Präsident Bush aus dem Amt zu bekommen. Das reicht nicht, um Wahlen zu gewinnen. Und: Die Demokratische Partei hat den Süden endgültig verloren. Noch vor wenigen Wahlperioden hatten wir 22 Senatoren im Süden – jetzt haben wir noch vier. Als Texaner bin ich darüber besonders enttäuscht.
Was heißt das für die Zukunft?
Die Demokratische Partei muss sich darum bemühen, ihrer Botschaft in all den Gegenden Gehör zu verschaffen, wo sie bisher nicht durchdringt: im Süden, in den Kirchen, bei den Evangelikalen. Und das übrigens auch schon bei den Kongresswahlen in zwei Jahren. Womöglich haben die Republikaner nämlich in Wirklichkeit nicht vier, sondern nur zwei Jahre Zeit, ihre Agenda umzusetzen.
Ist das nicht Wunschdenken? Die Demokraten müssen sich doch erst mal entscheiden, wie sie mit konservativen Richternominierungen im Kongress umgehen. Verhindern sie die als Opposition, stehen sie als Blockierer da. Tun sie das nicht, bekommen sie Ärger mit der eigenen Basis. Und da sollen sie die nächsten Kongresswahlen gewinnen können?
Da haben sie Recht. Der demokratische Fraktionschef im Senat, Tom Daschle, hat seine Wiederwahl verloren. Er war entschlossen, sehr konservative Nominierungen zu verhindern. Die Demokraten müssen kämpfen, auch wenn sie mehrfach das Instrument des Filibuster einsetzen müssen ...
... die unendliche Verlängerung der Rednerliste, um zu verhindern, dass es je zu einer Abstimmung kommt ...
... aber das geht nur gegen extreme Nominierungen vom Schlage eines Clarence Thomas. Denn Sie haben Recht: Die Demokraten können nicht nur Blockierer sein. Sie haben andererseits nach dem 11. September 2001 die Erfahrung gemacht, dass eine zurückhaltende Haltung auch keine Wähler bringt. Sie müssen selbst für etwas stehen.
INTERVIEW: BERND PICKERT