: Mächtig viel Merkel
CDU-Vorsitzende festigt auf dem Parteitag in Leipzig ihren Führungsanspruch. Merkel verteidigt Herzog-Pläne zur Sozialreform. Delegierter sorgt für Eklat bei Debatte zu Hohmann-Rausschmiss
LEIPZIG dpa/ap/afp/taz ■ Die Kanzlerkandidatin hat gesprochen, und ihre Konkurrenten dürfen nur noch applaudieren. Mit einer 96-minütigen Rede untermauerte die CDU-Vorsitzende Angela Merkel gestern auf dem Parteitag in Leipzig ihren Führungsanspruch. Sie verteidigte das Reformprogramm für die Sozialsysteme und ging – anders als allgemein erwartet – auch ausführlich auf den Ausschluss des Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann ein.
Dabei vermied es die Parteichefin, sich bei den rund 1.000 Delegierten mit Parteitags-Folklore anzubiedern. Sie verzichtete über lange Strecken auf das übliche Abwatschen des politischen Gegners. Für eine Politik des „Nur-Kritisierens“ von Rot-Grün stehe sie nicht zur Verfügung, sagte Merkel. „Wir können dem chaotischen Treiben nicht nur zusehen. Das ist mit mir nicht zu machen.“
Stattdessen begründete Merkel ihre umstrittenen Richtungsentscheidungen der vergangenen Wochen. „Das größte und umfassendste Reformpaket, das es in der CDU Deutschlands seit langem gegeben hat“, mute nicht nur den Christdemokraten einiges zu. Das Konzept der Herzog-Kommission sei jedoch nicht unsozial. Bei den Plänen gelte der Maßstab: „Niemand soll zum Zeitpunkt der Umstellung auf die Herzog-Prämie mehr zahlen, als er heute an Gesundheitskosten trägt.“
Zum Fall Hohmann sagte Merkel, wer die „Singularität des Holocaust“ und die Werte der CDU in Frage stelle, der müsse Zweifel ausräumen. „Wenn das in angemessener Zeit nicht geschieht, dann müssen wir die Konsequenzen ziehen, so schmerzlich sie auch sind.“ Zu den wichtigsten Wurzeln der Partei zähle „der christlich motivierte Widerstand gegen das nationalsozialistische Terrorregime“.
Bei diesen Passagen applaudierte nur ein Teil der Delegierten. In der anschließenden Debatte kritisierte der nordrhein-westfälische Delegierte Leo Lennartz als einziger Delegierter den Umgang mit Hohmann. Es sei ein „Klima der Vorverurteilung“ erzeugt worden. CDU-Bundesvize Jürgen Rüttgers griff Lennartz daraufhin scharf an. „Ich möchte mit solchen Leuten wie Ihnen nicht in einer Partei sein“, sagte er. RAB
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