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Archiv-Artikel

Nostalgie und Chill-out

Ehemals tiefstes Westberlin, hat sich das Haus am Lützowplatz fleißig in die Gegenwart vorgearbeitet. Doch die Ausstellung zum 40-jährigen Bestehen ist zu sehr bunte Mischung. Von dem Wunsch, Politik und Kunst zu koppeln, blieb nur wenig

VON KATJA REISSNER

Häppchenweise, so präsentiert sich die Ausstellung zum 40-jährigen Bestehen des Hauses am Lützowplatz. Die finanziell extrem angespannte Situation hat kein fettes Jubiläumsbuffet erlaubt. Acht Künstler stehen mit dieser Schau stellvertretend für die Ausstellungs- und Kulturaktivitäten des „Kulturzentrums Förderkreis Berlin“. Sie sind die Kunsthäppchen, mit denen sowohl an die Ausstellungen international bekannter Künstler erinnert wird als auch an die Förderung von Künstlern, die dem spezifischen Umfeld der geteilten Stadt entstammten.

Drei der Künstler, William N. Copley, Konrad Klapheck und Mario Merz, sind längst feste Größen der Kunstgeschichte. Elvira Bach und Katharina Sieverding stehen als sehr verschieden ausgerichtete Protagonistinnen für ein neues, sich selbst behauptendes Frauenbild in der Kunst seit den Sechziger- und Siebzigerjahren. Elvira Bach ist Teil der spezifischen Berliner Kunstgeschichte der Mauerstadt, als die Malerei wild, expressiv und zuweilen sehr egozentrisch wurde. Ihre Frauenfiguren mögen mittlerweile mehr als effektive Klischees betrachtet werden. Katharina Sieverding ist mit typischen Fotoikonen ihrer selbst vertreten. Sie hat sich im Haus am Lützowplatz in den vergangenen Jahren sowohl monografisch als auch mit ihrer Hochschul-Klasse der Universität der Künste präsentiert. Eine Seitenlinie der Berliner expressiven Malerei vertritt Bernd Koberling mit zwei auf Naturszenarien bezogenen großformatigen Arbeiten, die einen weiten Zeitraum überspannen: Sie belegen sowohl für die Sechzigerjahre als auch für die Gegenwart überzeugend seine autonome malerische Qualität.

Aber diese Aufzählung zeigt bereits: Hier ist eine bunte Mischung mit unterschiedlichen Parametern zusammengekommen, die keine eigene Geschichte erzählen. Die Ausstellung funktioniert dort am besten, wo man zwei repräsentative Teilkomplexe von Werken sehen kann: die 40 so genannten „Recyclings“ des Fluxus-Klassikers Emmett Williams und die 27 Tarotkarten-Zeichnungen von Dorothy Iannone. Die eigentliche Überraschung sind die kleinformatigen Papier-Arbeiten von Williams, gleichsam als Abfallprodukte aus den Achtzigerjahren im Atelier aufgegriffen und durch Collageelemente mit spielerischer Bedeutung aufgeladen. Von Cuts durchzogene, farbig gestreute Hintergründe sind mit kleinen Markierungen bezeichnet und literarischen Motti versehen. Von „Anna Blume“ bis zu „Pop Art Portrait of Mum with Popcorn and Popsicle“ wird die Kunstgeschichte seit Kurt Schwitters graziös gestreift, ohne dass Williams seine sehr eigene und humorvolle Kunst zwischen Literatur und Verbildlichung verrät.

An seine Seite gestellt ist Dorothy Iannone, die mit jeder ihrer quasi naiv realistischen und ornamentalen Buntzeichnungen eine Karte zur erotischen Stimmungslage ihres persönlichen Liebeslebens zieht. Das Paradestück der Ausstellung ist ihr Roulettetisch, der diese Geschichten aus zeitlichem Abstand noch einmal anders erzählt. So wird bei Williams und Iannone die Zeit selbst zu einem Thema.

Das Haus am Lützowplatz, einst eine sozialdemokratisch inspirierte Kulturinstitution, die seit ihrer Gründung in den Sechzigerjahren Kunst und Politik zusammenbringen und ein gesellschaftliches Diskussionsforum sein wollte, ist in die Jahre gekommen. Nach der Wende musste man sich finanziell neu aufstellen und vermietete nach Umbauten Teile des Hauses. Die Kulturstiftung der Länder und die Kulturstiftung des Bundes sorgen mit Büros im Haus gegenwärtig für die Unterstützung der Aktivitäten. Dazu gehörte in den letzten Jahren auch eine Gesprächsreihe, zu der bedeutende Funktionsträgerinnen aus Politik und Gesellschaft eingeladen waren, im Berliner Umfeld und darüber hinaus: Renate Künast, Prof. Dr. Jutta Limbach und andere.

Die notwendige Verjüngung unter der Leitung von Karin Pott, seit 1992, erfolgte auch durch die Einrichtung der Studiogalerie mit den Räumen am Gartenhof, wo junge Kuratoren Künstler ihrer Generation vorstellten. Dort treten jetzt zum Jubiläum vier so genannte Club-Künstlerinnen auf, die, locker in der Berliner Club-Szene unterwegs, eine Kunst zwischen Trend, Trash und Populärkultur machen. Astrid Küver, Betty Stürmer, Maria-Leena Räihälä und Danielle de Picciotto setzen fort, was schon immer prägend für die Kunstszene in Berlin war: ein spezifisches Lebensgefühl, das entscheidende Inspirationen gerade auch von Künstlern empfing, die von außen dazukamen, durch Stipendien etwa. Dazu gehören Emmett Williams, N. Copley und Dorothy Iannone, und plötzlich wird doch noch ein Faden der Geschichte sichtbar. So müssen sich die Jungen hier mit ähnlich gelagerten Werkmentalitäten der „Alten“ vergleichen und verbinden lassen.

Die Montagen von Stürmer, die Warhols Marylin zitieren und mit Designapplikationen versehen sind, die fern an Matisse erinnern, bilden eine weitere Umdrehung im großen Recyling der Kunstgeschichte. Kombiniert mit Teppichen von Küver, die Logos aus der Hifi-Technik zitieren, liegen Stürmers Kissenskulpturen aus.

Alles zusammen ergibt eine Lounge, die zum Chill-out vom etwas nostalgischen Jubiläum im Vorderhaus einlädt. Denn längst sind, weit entfernt von den einst hoffnungsvollen Ambitionen der Sechzigerjahre, neue politische Auseinandersetzungen in den Diskurs der Kunstinstitutionen hineingeraten, man denke etwa an den Eklat um die geplante Ausstellung zur Roten Armee Fraktion in den Kunstwerken Berlin.

Bis 15. Februar, Haus am Lützowplatz, Lützowplatz 9, Di.–So., 11–18 Uhr, am 24. 12. und 31. 12. geschlossen