„Sühne im dritten Glied“

KINDER Bremen entzieht zwei kleinen Jungen die deutsche Staatsbürgerschaft, weil ihr Großvater sich vor Jahren den Aufenthalt in Deutschland erschlichen haben soll

AUS BREMEN CHRISTIAN JAKOB

Mit einer groß angelegten Werbekampagne versucht der Bremer Senat in diesen Tagen für den deutschen Pass zu werben. „Bremen will dich!“, lautet der Slogan, den Innensenatorin Ingelore Rosenkötter (SPD) gewählt hat. Denn die Zahl der Anträge auf einen Pass sinkt stark. „Wir wollen die Migranten in die Mitte der Gesellschaft rücken“, sagte Rosenkötter bei der Vorstellung der Kampagne am letzten Dienstag.

Mahmud und Suad E. will Bremen allerdings nicht. Nicht in der Mitte der Gesellschaft und auch nicht am Rand. Dabei waren die beiden sechs und sieben Jahre alten Jungen schon Deutsche. Von Geburt an sogar. Ihr kurdischer Vater Ahmet hatte 1998, lange bevor die beiden in Bremen zur Welt kamen, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis bekommen. Und somit waren seine beiden Söhne automatisch Deutsche.

Bis zum Jahr 2004 jedenfalls. Dann entzog die Ausländerbehörde dem Großvater und dem Vater von Mahmud und Suad E. endgültig ihre Aufenthaltserlaubnis. Die Behörde hatte herausgefunden, dass die Familie in der Türkei gelebt hatte, bevor sie in den Achtzigerjahren in den Libanon übersiedelte. Als die E.s 1988 nach Deutschland kamen, behielt Großvater E. das für sich. Sein Sohn Ahmed war da gerade sechs. Als er später um eine Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis bat, gab auch er nicht an, in der Türkei gewesen zu sein.

Für die Ausländerbehörde ein klarer Fall von Aufenthaltserschleichung. Großvater E. reiste freiwillig aus. Ahmed, den Vater von Mahmut und Suad, schob sie 2005 ab. Die beiden Jungen blieben mit ihrer Mutter Besire und drei Geschwistern in Bremen.

Um auch den Rest der Familie loszuwerden, dachte sich die Behörde Folgendes aus: Sie entzog Ahmed E.s Aufenthaltsgenehmigung auch rückwirkend. Und deshalb, so stellte sie fest, sei er 2002 und 2003, als seine Söhne geboren wurden, unrechtmäßig in Deutschland gewesen. Weshalb, so die Folgerung des Amtes, die beiden niemals einen Anspruch auf die deutsche Staatsangehörigkeit gehabt hätten. Die Behörde nahm den Kindern ihre deutschen Pässe wieder weg.

„Dieses Vorgehen ist bundesweit einmalig“, sagt Jan Lam, der Anwalt der Familie. Noch nie sei versucht worden, jemandem mit einer solchen Begründung die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen. Die Behörde übe „Sühne im dritten Glied“.

Besire E. wollte sich damit nicht abfinden. Im November 2006 beantragte sie beim Verwaltungsgericht Bremen, festzustellen, dass ihre beiden Söhne sehr wohl Deutsche seien. Doch Ende März, kurz vor Beginn der Einbürgerungskampagne des Bremer Senats, wies das Gericht ihre Klage ab. Die Ausländerbehörde bekam Recht. „Kinder müssen sich nach geltender Rechtsprechung Täuschungshandlungen der Eltern zurechnen lassen“, sagt ein Sprecher des Bremer Verwaltungsgerichts. „Wir haben extra die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts abgewartet.“ Doch habe der Gesetzgeber Ausnahmen erst für Kinder ab fünf Jahren vorgesehen. Beim festgelegten Stichtag aber waren die beiden noch jünger.

Den Anwalt Lam ärgert vor allem, dass es kein Verfahren gegeben habe, in dem die Kinder rechtliches Gehör erhalten hätten. Er will Berufung einlegen.