: Öffentlichkeit für jeden Fall
Der Kölner Verein „Öffentlichkeit gegen Gewalt“ erhält für sein Engagement gegen Diskriminierung von Minderheiten den Bilz-Preis. Zentrale Aufgabe ist neben Opferbetreuung die Öffentlicheitsarbeit
Von Ruth Helmling
Die Nagelbombe in der Keupstraße hat der Mülheimer Einkaufsmeile mit ihrem orientalischen Flair große Aufmerksamkeit beschert. Von einem Anschlag war da die Rede, gegen die Türken oder gegen die Kurden oder von Türken gegen Kurden oder umgekehrt. Ob Türken oder Kurden oder überhaupt Türken und Kurden und ob nicht vielleicht doch Deutschstämmige – geklärt ist der Fall bis heute nicht.
„Da wurden einfach Klischees verbreitet“, ärgert sich Susanne Laaroussi. Sie ist Mitarbeiterin des „AntiDiskriminierungsBüro Köln“, einer Einrichtung des Vereins „Öffentlichkeit gegen Gewalt“ (ÖgG). Gerade in der Keupstraße herrsche ein friedliches Miteinander, und Bandenkriege zwischen Türken und Kurden gebe es nicht, meint Laroussi. Im unscheinbaren Hinterhof von Nummer 93 sitzt der Verein und kämpft seit zwölf Jahren gegen jegliche Form der Diskriminierung. „Wir wollen die Öffentlichkeit dafür sensibilisieren“, beschreibt Laaroussi ihre Aufgabe.
Am kommenden Freitag bekommt ÖgG für sein Engagement den Bilz-Preis verliehen, der seit 1999 an Initiativen geht, die gegen die Diskriminierung von Minderheiten kämpfen (siehe Kasten). Die Schauspielerin Renan Demirkan hält im EL-DE-Haus die Laudatio.
Gegründet wurde Öffentlichkeit gegen Gewalt 1992 nach dem Brandanschlag auf ein von türkischen Migranten bewohntes Haus in Solingen. Junge Rechtsradikale ermordeten damals fünf Kinder und Frauen. Zu Beginn war es nur ein Nottelefon für Opfer, schnell hat sich daraus eine Beschwerdestelle entwickelt.
Heute bearbeiten zwei Festangestellte, Praktikanten und zahlreiche Ehrenamtliche die Diskriminierungsfälle. Laaroussi berichtet von einer Frau, die eine Wohnung nicht bekommen hat, weil sie Migrantin ist. Und von dem Afrikaner, der nicht in die Disco durfte. „Wir nehmen zunächst den Vorgang auf“, erklärt Laaroussi. Gemeinsam mit dem Opfer wird dann eine Strategie entwickelt. Manche Fälle werden über Jahre betreut, eine Zusammenarbeit mit anderen Hilfsorganisationen ist selbstverständlich. Täter zur Rechenschaft zu ziehen, gelingt indes nur selten. Immerhin, so Laroussi, hätten „die Leute, die kommen, den ersten Schritt getan“.
Zentral aber ist für Susanne Laaroussi die Öffentlichkeit. So wird nach Möglichkeit und in enger Absprache mit den Betroffenen jeder Fall, anonym oder mit Namen, öffentlich gemacht. Nur so, davon ist ÖgG überzeugt, können strukturelle oder politische Hintergründe von Diskriminierung sichtbar gemacht werden. Mit dem Ziel organisiert ÖgG Vorträge und Tagungen. Oder auch mal ein Solidaritätsfest, etwa für das Ansehen einer friedlichen Einkaufsstraße auf der Schäl Sick. Finanziert wird das Antidiskriminierungsbüro nicht nur durch Spenden und Mitgliedsbeiträge, sondern auch vom Land. Als einziges Bundesland unterstützt Nordrhein-Westfalen die Arbeit gegen Diskriminierung.
Laut Laaroussi soll das bald anders werden. Ganz oben auf ihrer „To-Do-Liste“ steht der Kampf um die Einführung des Antidiskriminierungsgesetzes. Bereits vor sieben Jahren hat die Europäische Union mit dem Vertrag von Amsterdam beschlossen, ein Europa ohne Rassismus zu schaffen. Dafür hat das EU-Parlament zwei Richtlinien verabschiedet, die die Bundesregierung noch in diesem Jahr umsetzen muss. Bisher hat auch die Kampagne „Antidiskriminierungsgesetz jetzt“ des Antidiskriminierungsbüros in NRW nichts bewegt. „Die Ministerien halten sich da sehr bedeckt“, moniert Laaroussi.