: Einigkeitsshow am Roten Meer
Bei der größten Irakkonferenz seit der US-geführten Invasion soll unbedingt der gemeinsame Wunsch nach Stabilität ausgedrückt werden. Um das zu erreichen, stehen zunächst sogar die Konflikte mit Iraks Anrainerstaaten hintan
AUS SCHARM AL-SCHEICH KARIM EL-GAWHARY
Es soll eine Show der Einigkeit werden: die bisher größte internationale Irakkonferenz seit dem Einmarsch der US-Truppen vor 18 Monaten, die nun zwei Tage lang im ägyptischen Badeort Scharm al-Scheich abgehalten wird. Die Nachbarländer des Irak und die reichsten Industrienationen der Welt sollen dort zusammen mit UN-Generalsekretär Kofi Annan, Vertretern der Arabischen Liga und der Konferenz der Islamischen Staaten dem politischen Prozess als Alternative zur militärischen Auseinandersetzung Aufwind verleihen. Die Außenminister der Irak-Anrainerstaaten hatten sich noch nicht zu ihrem ersten Treffen am späten Montagnachmittag zusammengesetzt, die meisten Delegierten der G-8-Staaten und Chinas waren noch nicht eingetroffen und der scheidende US-Außenminister Colin Powell war noch im benachbarten Israel beschäftigt, da war der Entwurf der Abschlusserklärung der Konferenz bereits veröffentlicht.
Alle Teilnehmer unterstützen darin den politischen Prozess im Irak, wie er in den UN-Resolutionen festgelegt wurde, die Nachbarstaaten verpflichten sich zur Nichteinmischung, und alle verurteilen jegliche Formen von Gewalt gegen Zivilisten und rufen zu einem unverzüglichen Waffenstillstand auf.
Der Vorschlag Frankreichs und der Arabischen Liga, einen genauen Zeitplan für den Abzug der internationalen Truppen aufzunehmen, wurde indes nicht angenommen. „Wir brauchen keinen solchen Zeitplan, denn es ist die irakische Regierung, die eine Ende des Mandates der ausländischen Truppen festlegt, und angesichts der zahlreichen Gewalt ist es im Moment zu früh“, argumentierte der irakische Vizeaußenminister Labid M. Abbawi gegenüber der taz am Rande der Konferenz. Abbawi stieß dabei auch eine indirekte Drohung gegen die arabischen Nachbarstaaten aus: „Wir haben in Falludscha eine Menge Beweise für die Teilnahme von Terroristen aus den Nachbarländern gefunden, aber wir wollen das unseren Nachbarn im Moment nicht öffentlich vorhalten“, erklärte er. „Wir brauchen eine vernünftige Kontrolle der Grenzen und eine Sicherheitskooperation“, sagte Abbawi und fügte hinzu, dass die US-Vorgehensweise gegen den Iran und Syrien nicht hilfreich sei. „Die Syrer beispielsweise brauchen eine US-Garantie, dass Washington nicht gegen Damaskus vorgeht, sobald der Irak abgesichert ist“, glaubt er.
Der zweithöchste irakische Diplomat hofft, dass es während der Scharm-al-Scheich-Konferenz auch zu einem Dialog zwischen den USA und den Anrainerstaaten des Irak kommt. Auch ein türkischer Teilnehmer, der nicht namentlich genannt werden will, hofft auf eine neue Dynamik zwischen den USA und Iraks Nachbarn. „Wir sollten nicht den USA den Rücken zuzuwenden, sondern sie auf den richtigen Weg bringen.“
Als wichtigstes Ergebnis der Konferenz wünscht sich Abbawi die internationale Unterstützung für die Wahlen, die die irakische Regierung für den 30. Januar angesetzt hat. „Wenn die internationale Gemeinschaft und die arabischen Nachbarn sich für die Wahlen aussprechen, wird es für die irakische Regierung auch einfacher, die Iraker zu einer breiteren Mitwirkung bei den Wahlen zu veranlassen“, glaubt er. Die Regierung in Bagdad fürchtet, dass sowohl die Sicherheitslage als auch Boykottaufrufe aus sunnitischen Kreisen die Wahlen wertlos machen.
Im weiteren Rahmen stellt die Irakkonferenz auch den US-amerikanischen Versuch dar, den Irakkonflikt erneut zu internationalisieren, wenngleich einige europäische Diplomaten am Rande bereits ihre Enttäuschung darüber zum Ausdruck gebracht haben, dass Washington zwar versucht, die Nachbarstaaten des Irak und die Europäer stärker einzubinden, ohne ihnen aber tatsächlich irgendeinen Einfluss im dortigen politischen Prozess zu geben. Dass sie nun doch alle in Scharm al-Scheich zusammengekommen sind, zeigt, dass sie trotz aller Differenzen alle ein gemeinsames Interesse haben. „Scharm al-Scheich ist eine Konferenz der Aussöhnung und sollte nicht weiteres Öl ins Feuer gießen“, beschreibt der ägyptische Außenminister Ahmed Aboul Gheit den Konsens am Roten Meer und fügt optimistisch hinzu: „Alle haben den Schluss gezogen, dass jenseits aller Interessen die Stabilität des Irak ein gemeinsames Ziel sein muss.“