herr tietz macht einen weiten einwurf
: Zwischen Training, Sponsorentermin und Weihnachtsfeier

FRITZ TIETZ über den Traumberuf Fußballer, der bekanntlich das Größte ist – „außer natürlich irgendwas mit ’ner Frau“

Fritz Tietz ist 44 Jahre alt, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport.

Der Broterwerb durch Fußballspielen gilt weithin als Traumberuf, und gemessen an der schlechterdings unvertilgbaren Menge Brot, die manch Profi allein von seinen Anteilen aus dem Trikotverkauf erwerben könnte, ist er das wohl auch. Insgesamt aber macht man sich ein zu verklärtes Berufsbild vom Traumjob Fußballer. Die beruflichen Momente eines Bundesligaprofis, die es verdienen, traumhaft genannt zu werden, sind nämlich in Wirklichkeit rar gesät. Der Augenblick, in dem man vor zigtausend Zuschauern im, sagen wir mal, Lissaboner „Stadion des Lichts“ auflaufen darf, ist sicher so ein seltener Moment. Auch vor solcher Kulisse das entscheidende Tor zu versenken, soll Spielern, die das erlebten, zu immerhin traumhaft körperlichen Wallungen verholfen haben. Oder wie es Weltmeister Rainer Bonhof 1974 ausdrückte: „Das ist das Größte – außer natürlich irgendwas mit ’ner Frau.“ Nach einer Pokalniederlage auf einem niederbayrischen Dorfplatz dürfte sich das Fußballerdasein allerdings schon weniger traumhaft darstellen. Erst recht, wenn einen der Vereinsmanager auch noch anschließend zwingt, zum Block der so genannten mitgereisten Fans zu gehen und ihnen den obligatorischen Grüßaugust zu machen, damit sie einem nicht hinterher wieder den Mannschaftsbus blockieren.

Auch der Profi-Alltag dürfte alles andere als ein Traum sein. Es sei denn, man träumt davon, täglich zu einem aufgeweichten Trainingsgeläuf irgendwo am Stadtrand zu dackeln und unter der Aufsicht des ständig seine Anweisungen bellenden Übungsleiterpersonals um so blöde Pylonen herumzudribbeln, dazu die hinterm Zaun herumnörgelnden Rentner und das aufdringliche Pressepack zu ertragen und mit zwanzig, dreißig schwitzenden Kerlen eine zugestunkene Umkleide zu teilen, ehe man kurz in sein unheimeliges Vorort-Endreihenhaus brettert, um ein bisschen am Computer zu daddeln oder im Kicker zu blättern und anschließend erneut zum Training zu eilen – falls nicht noch ein Sponsorentermin ansteht und man zur Autogrammstunde in eines dieser beschissenen Einkaufscenter oder zum Torwandschießen ins doofe Autohaus muss. Oder wenn’s ganz schlimm kommt: zur Weihnachtsfeier eines Fanclubs.

Auf der Website des FC Bayern München ist in einer Art Delinquentenliste aufgelistet, welche Spieler dieses Jahr welche Fan-Club-Weihnachtsfeiern besuchen mussten – und das schon Ende November. Und so rückten denn wohl Münchens Traumberufler letzten Sonntag nahezu vollzählig aus: Oliver Kahn etwa war den Seeoner Seedeife’n zugeteilt, Hasan Salihamidzic dem Schießmer Red-White Dynamite ’96 e.V., Robert Kovac den Ruhrpott-Bazis. Auch die Bayern-Bosse nahmen sich von dem ranschmeisserischen Adventsgetue nicht aus: Uli Hoeneß musste zu den Pomperl-Buam nach Bad Griesbach und Karl-Heinz Rummenigge zum FC-Bayern-Fanclub ins oberpfälzische Nabburg. Dort stellte man noch am selben Abend folgenden Bericht auf die fanclubeigene Website:

„Bereits um 14 Uhr drängten die Fans in die Nabburger Nordgauhalle und staunten nicht schlecht über die tolle Aufmachung vor Ort. Über eine riesige Videoleinwand wurden die Fans eine Stunde lang auf den Ehrengast vorbereitet. Dieser kam dann kurz vor 15 Uhr in Nabburg an und hielt unter den Klängen der Jugendblaskapelle Nabburg einen begeisterten Einzug. 60 Musiker zeigten sich von der besten Seite (…) Die gesamte Vorstandschaft hatte vor der prächtig geschmückten Bühne Platz genommen, und Vorstand Bernd Hofmann zeigte sich in seiner Begrüßung hocherfreut (…) Auch der 2. Bürgermeister der Stadt Nabburg, Armin Schärtl, ging in seinem Grußwort auf die Bedeutung dieses Besuches ein, übergab ein Zinnpräsent (…) Nun kamen auch noch der Nikolaus mit Knecht Ruprecht. Ein Geschenkkorb mit einigen Spezialitäten und dem großen Buch von Nabburg wurde übergeben …“

So viel zum Traumberuf Fußballer. Übrigens: Bayern-Profi Sebastian Deisler wurde dieses Jahr der Weihnachtsfeierbesuch bei einem Fanclub erlassen.