: Wieder einmal Njet zum Klimaschutz
Eigentlich sollte die Klimakonferenz in Mailand unspektakulär werden. Dann stellte ein Berater des russischen Präsidenten die Zustimmung zum Kioto-Protokoll in Frage. Die EU-Staaten dagegen loben Kioto. Aber sie verfehlen trotzdem ihre Ziele
von BERNHARD PÖTTER
Bereits am zweiten Tag der Verhandlungen hatte die Klimakonferenz von Mailand am Dienstagnachmittag ihren kleinen Skandal. Aus Moskau meldete sich der Wirtschaftberater des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit einer Ablehnung des Kioto-Protokolls zu Wort. „In seiner jetzigen Form kann das Abkommen nicht unterzeichnet werden“, erklärte Andrei Illarionow. Es setze dem wirtschaftlichen Wachstum Russlands „spürbare Grenzen“.
Wieder einmal hat Russland damit die Verhandlungen zur Ratifizierung des Kioto-Protokolls in Frage gestellt. Denn obwohl bisher etwa 120 Staaten ratifiziert haben, steht und fällt Kioto mit Russland. Nach dem Aussteig der USA und Australiens ist nur so zu erreichen, dass 55 Prozent der Staaten mit 55 Prozent der Emissionen den Vertrag ratifizieren, damit er in Kraft tritt.
Die Reaktion aus Mailand kam umgehend. Tenor: Keine Panik. Umweltschützer, UN-Verhandler und EU-Behörden erklärten, Illarionows Äußerungen seien kein Beweis für den Ausstieg Russlands. Das Land habe seit langem „gemischte Signale“ gesendet. Einerseits hat Präsident Putin etwa beim UN-Gipfel in Johannesburg erklärt, Russland werde unterzeichnen. Später erklärte Putin dann, man werde das Protokoll genau daraufhin prüfen, ob es die russischen Interessen beachte. Michael Williams, Sprecher der UN-Klimakonvention, meinte: „Wir bleiben zuversichtlich, dass Russland es tatsächlich ratifiziert.“
Auch Regine Günther, Klimaexpertin beim Umweltverband WWF, „geht davon aus, dass Russland ratifiziert“. Das Land stehe innenpolitisch schließlich vor der Wahl zur Duma am Wochenende und vor der Präsidentschaftswahl im März. Trotzdem müsse man klar machen, dass es beim Klimaschutz nicht um ein Problem nur zwischen den USA und der EU gehe.
Russland gilt unter Klimaverhandlern als schwieriger Kunde. So einigte sich die russische Delegation bei der Klimakonferenz in Bonn 2001 zwar darauf, wieviel der russischen Wälder als „Senken“, die CO2 speichern, anerkannt werden sollten. Ein halbes Jahr später, bei der Konferenz in Marrakesch, erzwang Russland eine Nachverhandlung, die ihm wesentlich mehr Verschmutzungslizenzen zubilligte.
Dem Kioto-Protokoll droht das Scheitern aber nicht nur durch Russland, sondern auch durch die Staaten, die es in ihrer Rhetorik preisen. So liegen praktisch alle Industriestaaten weit von ihren Reduktionszielen entfernt. UN-Experten befürchten, dass die Industriestaaten insgesamt in diesem Jahrzehnt ihren CO2-Ausstoß um 17 Prozent steigern werden. Das Kioto-Protokoll fordert dagegen eine weltweite Reduzierung um 5,2 Prozent gegenüber 1990.
Zum Auftakt der Konferenz warnte die EU-Umweltkommisarin Margot Wallström, die EU werde beim Klimaschutz versagen: „Wenn nicht mehr getan wird, werden die EU als Ganzes und die Mehrheit der Mitgliedsstaaten ihre Kioto-Ziele verpassen“, sagte Wallström. Nur Schweden und Großbritannien würden die Reduktionsziele erreichen, Deutschland werde ohne weitere Anstrengungen sein Klimaziel (minus 21 Prozent bis 2012) knapp verfehlen. Spanien, Österreich, Belgien und Irland etwa bliesen ohne zusätzliche Maßnahmen bis zu einem Drittel mehr Treibhausgase in die Atmosphäre als geplant. Der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU) der Bundesregierung kommt zu dem Ergebnis, dass gefährliche Klimaänderungen nur noch vermeidbar sind, wenn die vereinbarten Ziele „deutlich höher als bisher gesetzt werden“.
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