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Archiv-Artikel

Leuchtturm ohne Wärter

Energie Cottbus trennt sich nach zehn erfolgreichen Jahren von Trainer Eduard Geyer. Als Nachfolger werden die üblichen Verdächtigen gehandelt: Bernd Stange, Dixi Dörner und Werner Lorant

VON FRANK KETTERER

Der Abend war wirklich nett, und auch Eduard Geyer hatte ihn sichtlich genossen. War ja auch eine prima Idee vom Kanzler, Trainer samt kompletter Mannschaft zu sich nach Hause einzuladen, und neben ofenfrischem Gänsebraten samt Bratapfel kredenzte Energie-Fan Gerhard Schröder auch das ein oder andere warme Wort für die zuletzt doch eher Gebeutelten des Fußballzweitligisten aus Cottbus. „Sie haben sich bleibende Verdienste im deutschen Fußball erworben“, lobte der Kanzler also noch just vor einer Woche. Und sein Satz „Energie ist ein Leuchtturm für eine ganze Region“, soll, so jedenfalls stand es anderntags in der Lausitzer Rundschau zu lesen, den „sportlich geplagten Kicker-Seelen wie Öl heruntergegangen sein“.

Es ist kein Zufall, dass man sich ausgerechnet gestern um die Mittagszeit an diese Kanzler-Worte erinnerte, schließlich verbreitete die Deutsche Presseagentur just um 13 Uhr und 40 Minuten die traurige Nachricht: Der Leuchtturm hat seinen Wärter verloren. Wörtlich hieß es bei dpa: „Eduard Geyer nicht mehr Cheftrainer in Cottbus.“ Der Meldung folgen sollte eine eilig anberaumte Pressekonferenz, auf der der Verein erste Stellung beziehen wollte, vorausgegangen war ihr die 1:2-Heimniederlage gegen Alemannia Aachen am Vorabend, die erste in dieser Saison. Auf Platz 14 war Cottbus dadurch angelangt, nur noch zwei Punkt von einem Abstiegsplatz getrennt – und das, obwohl man doch eigentlich um den Aufstieg hatte mitspielen wollen.

In der Lausitz hatte das weitgehende Ausbleiben sportlicher Erfolge schon in den letzten Wochen für Unruhe gesorgt, bereits Ende Oktober waren im „Stadion der Freundschaft“ erste „Geyer raus!“-Rufe zu hören und Plakate zu lesen gewesen, auf denen die gleiche Forderung gepinselt stand. „Das sind dumme Jungs, die so etwas tun“, schimpfte Geyer in typischer Geyer-Manier und fand: „Da muss man schon bekloppt sein. Dieser Quatsch interessiert mich nicht.“ Auch Vereinspräsident Dieter Krein tat diese Ansicht zunächst kund. „Es kann höchstens sein, dass Ede Geyer irgendwann mal keine Lust mehr hat und von sich aus geht“, gab Krein bekannt. Später sagte er aber auch: „Wer einen Trainerwechsel fordert, muss auch das Geld dafür mitbringen.“

Zu dem ist Energie auch über Nacht nicht gekommen, den Trainer gefeuert haben die Vereinsoberen gestern dennoch. „Wir haben übereinstimmend festgestellt, so kann die Talfahrt nicht weitergehen“, nannte Krein als Grund für die Beurlaubung von Geyer. „Es geht nicht um Namen. Um den Lizenz-Fußball in der Lausitz zu retten und Übelstes abzuwenden, mussten wir die Reißleine ziehen“, erklärte Krein. Geyer selbst hatte sich am Mittag in der Kabine unter Tränen von der Mannschaft verabschiedet. Bei der Pressekonferenz war er nicht zugegen. „Wir wollten ihm einen Abschied unter Tränen nicht zumuten“, sagte Vereinsboss Krein.

Dass „Eisen-Ede“ am Ende seiner Zeit in Cottbus derart von Gefühlen übermannt wurde, darf nicht verwundern. Die Trennung von Geyer und Energie ist nun wirklich keine jener Sorte, wie sie im Fußball in jeder Saison bald ein Dutzend Mal vorkommt. Geyer war über 10 Jahre Trainer in Cottbus. Er hat den Verein in der Regionalliga übernommen, und er hat ihn von dort bis in die Bundesliga geführt, drei Jahre spielte Cottbus in Liga eins – und ein bisschen mutete es an wie ein Märchen, ein Fußballmärchen. Dabei war es natürlich harte Arbeit, und der, der sie zuvorderst leistete, war: Eduard Geyer. Schroff wirkte der 60-jährige Fußballlehrer bisweilen, nicht selten hart und wie ein Diktator. So eben, wie man sich den letzten Nationaltrainer der DDR vorstellte, zumindest im Westen. Aber Energie wäre ohne Geyer nicht da, wo es heute ist – nämlich immer noch in Liga zwei. Geyer war Energie, zehn Jahre lang.

Vielleicht ist es genau das, was bei dieser Trennung so besonders traurig macht: dass man sich Energie ohne diesen kauzigen Kerl nicht vorstellen kann, und schon gar nicht mit Bernd Stange, Dixi Dörner oder Werner Lorant, die noch gestern eilig als Nachfolger gehandelt wurden, an seiner statt. Wer weiß, vielleicht wird es jetzt ja gänzlich dunkel in der Lausitz. Denn wie, bitte schön, soll der Turm noch leuchten, wo ihm doch sein Wärter abhanden gekommen ist?