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Archiv-Artikel

Nichts zu machen

Obstbauern und Politiker diskutieren die Zerstörung des Alten Landes, Nordeuropas größtem geschlossenen Obstanbaugebiet. Die Parlamentarier können zwar die Bauern „gut verstehen“ – ändern wollen oder können sie nichts

„Da habe ich schon arge Befürchtungenum die Zukunftdes Gebiets“

aus HamburgGERNOT KNÖDLER

Wer als Hamburger Bürgerschaftsabgeordneter ins Alte Land kommt, um mit den Bauern über die Zukunft ihrer Heimat zu diskutieren, hat einen schweren Stand. Denn das Bündel an Infrastrukturprojekten, das dem Obstanbaugebiet zwischen Hamburg und Stade in den nächsten Jahren blüht, wird von keiner der fünf Parlamentsparteien grundsätzlich in Frage gestellt. CDU, FDP und Schill-Partei regieren und wollen die Autobahnen, Umgehungsstraßen sowie die Verlängerung einer Werkspiste für Airbus unbedingt durchdrücken. Die SPD hatte die Projekte während ihrer Regierungspartei angeschoben und auch ihr damaliger Juniorpartner GAL, die Grün-Alternative Liste, hatte die dicksten Kröten zum Wohle des Industriestandorts geschluckt. Jetzt sitzen die Abgesandten der Fraktionen in Bundts Gartenrestaurant im Dörfchen Neuenfelde und zeigen Verständnis kombiniert mit Ahnungslosigkeit. Ändern wollen oder können sie im Wesentlichen nichts.

Dass es ganz so aussieht, als hätte das Alte Land das größte anzunehmende Ausbauprogramm zu absolvieren (siehe Kasten), ist allen Abgeordneten unangenehm. „Da habe ich schon arge Befürchtungen um die Zukunft des Gebietes“, bekennt Wolf-Gerhard Wehnert von der SPD, der sich aber der Fraktionsdisziplin beugen will. Ene Woche Einarbeitung ins Thema hat seine Skepsis verstärkt. Dann hat er eigens den ehemaligen SPD-Wirtschaftsenator und designierten Bürgermeisterkandidaten Thomas Mirow gefragt, ob er sich ein Konzept zur Sicherung des Obstbaus vorstellen könne. „Das kann er sich vorstellen“, sagt Wehnert erleichtert.

Sein Kollege Bernd Reinert von der CDU erinnert daran, dass er immer gesagt habe, er wolle entweder die Ortsumgehung oder die parallel verlaufende A26. „Das konnte ich nicht durchbringen.“ Jetzt komme es darauf an, die Auswirkungen so gering zu halten wie möglich.

Reinert fragt sich „persönlich“, ob sich denn Ortsumgehung und Pistenverlängerung zwangsläufig aus der Werkserweiterung ergeben müssten und verspricht, die Argumente der Bauern weiterzugeben. Das Enteignungsgesetz werde er aber „mittragen müssen“, denn er halte die Pläne „insgesamt für notwendig“.

Ekkehard Rumpf von der FDP, der aus dem Alten Land stammt, trägt zwar nichts mit, aber auf ihn kommt es auch nicht an. Weil die oppositionelle SPD hinter den Plänen steht, kann sich der Senat auf eine 80-prozentige Mehrheit verlassen. Als Einwender und Kläger dürfe er sich in der Bürgerschaft nicht einmal zu dem Thema äußern. Rumpf kann sich vorstellen, die A26 entgegen aller bisheriger Pläne nach Süden auf die Geest zu verlegen.

Im Übrigen blickt er, obwohl Teil der Regierungskoalition, bei dem Wunsch der Firma Airbus nach einer Pistenverlängerung auch nicht durch. Airbus argumentiert widersprüchlich und die Verwaltung mauert offenbar. „Das Nervenaufreibende ist die Auseinandersetzung mit der Verwaltung, die in großen Teilen macht, was sie denkt, was richtig ist“, leidet Rumpf.

Der Verlauf der Debatte führt Karl-Heinz Tiemann vom Obstbau-Versuchs- und Beratungszentrum in Jork zu der Frage, ob der Senat denn Politik gestalte? „Verschanzen Sie sich nicht hinter Behörden“, schimpft er, worauf hin ihm Jens Pramann von der Schill-Partei attestiert: „Sie haben das Problem genau erkannt.“ Dabei hatte sich Pramann zuvor darauf zurückgezogen, kein Berufspolitiker zu sein. „Persönlich kann ich Sie gut verstehen“, meinte er. Aber leider ...

Wegen der „massiven Veränderung der Verkehrspläne“ fordert Antje Möller von der GAL eine neue Vekehrplanung. „Es kann nicht dabei bleiben, dass das jetzige Verfahren einfach zu Ende geführt wird“, findet Möller. Die GAL hatte sich während ihrer Regierungszeit auf eine Planung der Ortsumgehung auf Vorrat eingelassen. Möller: „Wir haben der Werkserweiterung zugestimmt, aber immer mit der Maßgabe, dass das Alte Land nicht untergebuttert wird.“