: Personal weg, Kameras hin
Die S-Bahn GmbH, jetzt mit einem 15-Jahres-Vertrag in der Tasche, will „mittel- bis langfristig“ ihre Bahnhofsaufsichten streichen und durch Video ersetzen. Grüner Cramer befürchtet Geisterbahnhöfe
von STEFAN ALBERTI
Daran gedacht hat man bei der S-Bahn GmbH schon länger: Personal von den Bahnsteigen runter, Videokameras hin. Allein einige „Stammbahnhöfe“ sollen nach solchen Plänen besetzt bleiben. Nur war in den vergangenen beiden Jahren unsicher, ob sich die Investition in die Technik perspektivisch lohnt, denn in dieser Zeit fuhr die S-Bahn ohne gültigen Vertrag. Das ist nach der jüngsten Einigung zwischen Senat und Bahn anders: Auf 15 Jahre hat sich das Land an die S-Bahn-GmbH gebunden und ihr damit mindestens ebenso lang Einnahmen gesichert.
In der Pressestelle des Unternehmens mochte man einen solchen Zusammenhang gestern zwar nicht bestätigen. „Mittel- bis langfristig“ seien Planungen, nur noch auf wenigen Bahnhöfen Personal zu haben. „Das passiert nicht in diesem Jahr, und ob sich im nächsten etwas tut, weiß ich nicht“, sagt S-Bahn-Sprecherin Sandra Kinzinger.
Was Hartmut Mehdorn, Chef der S-Bahn-Mutter Deutsche Bahn, nach der Einigung mit dem Regierenden Bürgermeister am Dienstag sagte, lässt allerdings schon auf eine Verbindung schließen. Von „Personalanpassungsmaßnahmen“ sprach der Bahn-Chef, die „nach Möglichkeit“ sozial verträglich verlaufen sollten. „Wir müssen sparen, um die jetzt ausgehandelten Konditionen umsetzen zu können.
Die S-Bahn hatte dem Land im Gegenzug für die 15-jährige Laufzeit einen günstigeren Preis zugestanden: Berlin zahlt nicht länger jährlich rund 230 Millionen Euro, sondern 26 Millionen weniger. Weitere 22 Millionen Kürzung sind noch strittig. Die Verkehrsexperten der Opposition sehen dennoch die Bahn als Gewinner in diesem Geschäft.
Derzeit arbeiten nach S-Bahn-Angaben 870 der ca. 4.000 Mitarbeiter als Aufsicht oder als Zugabfertiger auf den 164 Bahnhöfen des Streckennetzes. Wie viele davon auf wenigen „Stammbahnhöfen“ bleiben, soll noch offen sein. Auch zu den Kosten für die Überwachungstechnik und geplanter Einsparsumme beim Personal sagte Sprecherin Kinzinger nichts: „Das Konzept wird noch erarbeitet.“
Die rot-rote Koalition hatte sich Anfang 2002 in ihrem Koalitionsvertrag auf das Ziel festgelegt, „alle Berliner Bahnhöfe mit Personal zu besetzen“. Die verkehrspolitische Sprecherin der PDS-Fraktion, Jutta Matuschek, sieht darin keinen Widerspruch zu den S-Bahn-Plänen. Für sie meint der Vertragstext nicht zwingend, dass dauernd ein Mitarbeiter am Bahnsteig die Stellung hält, sondern regelmäßig jemand vorbeischaut.
Subjektives Unsicherheitsempfinden vieler Fahrgäste auf leeren Bahnsteigen ohne uniformierte Aufsicht ist für Matuschek nicht allgemeingültig: „Andere fühlen sich bedroht durch Menschen in Uniform. Fakt ist: Das Sicherheitsempfinden steigt, je mehr Fahrgäste da sind. Daran ist zu arbeiten.“
Der Grüne Michael Cramer hingegen lehnt die Pläne komplett ab: „Geisterbahnhöfe gab es zu Mauerzeiten, so was brauchen wir nicht.“ Ohne Personal auf den Bahnhöfen sagt er zunehmenden Vandalismus voraus. Die technische Infrastruktur, die zur Videoüberwachung nötig ist, sei zudem zu teuer und ersetze keinen Mitarbeiter vor Ort. Cramer: „Die Fahrgäste brauchen Ansprechpartner, wir sind schließlich eine Touristenstadt – umso mehr, wenn man eine Hochschulprofessur braucht, um das Tarifsystem zu verstehen.“
SPD-Verkehrsexperte Christian Gaebler plädiert für einen Mischweg. „Das Personal kann man nicht einfach ersatzlos einsparen.“ Da werde man sich noch mit der S-Bahn unterhalten müssen. „Wir wollen nämlich auch keine Geisterbahnhöfe. Aber es ist auch nicht Sinn der Sache, wenn da irgendwer nur in seinem Häuschen sitzt.“ Er denkt an ein Konzept mit mobilen Mitarbeitern, die auch in den Zügen unterwegs sind. Die Verkehrsbetriebe, die schon vor einigen Jahren ihr ständiges Personal von den U-Bahnhöfen abzog, sieht er da nicht als Vorbild: „Bei der BVG ist es ja gerade das Problem, dass ein solches Konzept nicht richtig umgesetzt wurde.“