: Ortsstreit mit kleiner Münze
Münsteraner Archäologe bezweifelt, dass Kalkriese im Osnabrücker Land Schauplatz der „Varus-Schlacht“ gewesen sein kann
Osnabrück dpa/taz ■ Alles falsch. Ausgerechnet aus dem benachbarten Münster dringt die Kunde ins Osnabrücker Land, dass man sich künftig den ganzen Touristen-Hype um den angeblichen Ort der Varusschlacht sparen kann. Den vorläufigen Höhepunkt der seit Jahren und Jahrzehnten durch die Archive tobenden Archäologen-Debatte setzte nun der Ordinarius Stephan Berke von der Universität Münster: Eine eindeutige Zuschreibung Kalkrieses bei Osnabrück als Schauplatz sei „so wissenschaftlich nicht haltbar“, sagte der Wissenschaftler. Zwar sei Kalkriese das bislang einzige gefundene römische Schlachtfeld aus dieser Zeit. Münzfunde und Beschreibungen römischer Historiker ließen jedoch Zweifel an Kalkriese aufkommen.
„Die Münzfunde werden zur Bestätigung der Hypothese auf das Jahr genau und zwar eben auf das Jahr neun nach Christus datiert“, erklärt er – was aber „vom wissenschaftlichen Standpunkt aus nicht möglich“ sei. Denn in den Jahren zwischen zwei und 14 nach Christi Geburt seien kaum Münzen geprägt worden, die sich genauer einordnen lassen. Folge: Das genaue Jahr lasse sich nur mit Hilfe von Vergleichsstücken – etwa anhand von Jahresringen bei Holzfunden – ermitteln, die in Kalkriese allerdings nicht gefunden wurden.
Als weitere Anhaltspunkte nennt der Experte Geschichtsschreibungen der römischen Historiker Cassius Dio und Tacitus, denen zufolge der Ort der Schlacht zumindest nicht eindeutig dem Gebiet nahe Osnabrück zuzuordnen sei.
Ein destruktiver Ansatz, denn nun steht die Archäologie vor zwei neuen Rätseln: Einerseits ist unklar, welche Schlacht denn nun bei Kalkriese geschlagen wurde. Andererseits kehrt die alte Frage nach dem wahren Varusschlachtfeld zurück, bei der das Heer des römischen Statthalters von germanischen Truppen unter Arminius vernichtend geschlagen wurde. So hatte sich lange der Irrglaube gehalten, die kämpferischen Auseinandersetzungen hätten bei Detmold im Teutoburger Wald stattgefunden – weshalb man im 19. Jahrhundert dort dem Cheruskerfürsten ein martialisches Mega-Denkmal errichtet hatte.
Eine solche Peinlichkeit hat man sich im Osnabrücker Land nicht erlaubt: Lediglich einen Museumspark zur Varusschlacht gibt es in Kalkriese. Dort wird geforscht, seit 1989 Bruchstücke militärischer Ausrüstungsgegenstände, Münzen und römische Tonscherben aufgetaucht waren. bes