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Archiv-Artikel

Happen, die kicken

PREMIUMBIO Große Biohändler bringen Premiummarken raus. Nach Marktführer Alnatura steigt jetzt auch Basic ein

Markt & Marken

Die Großen: Die Big Player im Biohandel sind Alnatura mit 46 Filialen und 304 Millionen Euro Umsatz 2008 sowie Basic (26 Läden, 93 Millionen Euro). Größter Hersteller ist Dennree mit 1.000 MitarbeiterInnen und 330 Millionen Euro Umsatz, gefolgt von Rapunzel und Wala.

■ Der Markt: 2008 wurden in Deutschland für 5,8 Milliarden Euro Biolebensmittel umgesetzt. Am meisten gekauft werden Babynahrung, Säfte, Müsli und Milch.

■ Das Edelsegment: 2007 ist „Alnatura Sélection“ mit acht Produkten gestartet, mittlerweile sind es 28: Schokolade, Tee, Aufstriche und Gebäck. Außerdem „Alnatura Origin“: Öl, Wein, Aufstriche, Saucen. Und „Vom Feld ins Glas“: landestypische Produkte, vorwiegend aus Italien. Basic zieht im Sommer nach.

VON PAUL WRUSCH

Eigentlich hatte Alnatura schon alles. Eigentlich war alles gut. In den vergangenen Jahren jeweils ein zweistelliges Umsatzplus, 46 eigene Märkte in Deutschland, zehn sollen noch 2009 dazukommen. Bei tegut, dm, Hit und Globus steht Alnatura im Regal. Marktführer will sich der Biohändler trotzdem nicht nennen, das klinge so nach Schulterklopfen. 900 Produkte vertreibt Alnatura als Eigenmarke, und fast alles, was man essen kann, gehört dazu. Das war aber nicht genug. Plötzlich gab es Chili-Kirsch-Schokolade und Macadamia-Brotaufstrich in schwarzer, edler Verpackung, teurer als sonst. Alnatura Sélection heißt die Premiumlinie, die Produkte liegen in Augenhöhe, sie sollen Geschenkcharakter haben.

Bio will nach oben. Zuerst haben die konventionellen Discounter begonnen, mit günstigen Bioprodukten die breite Masse für Öko zu begeistern. Jetzt dringen die großen Biohersteller und -händler ins Premiumsegment vor.

Das Schäufelchen mehr

Ja, es gab sie schon immer, die kleinen Biomarken, die sich als Premium verstehen und hochwertige Produkte in kleinen Mengen herstellen. Neu ist, dass Firmen wie Alnatura oder Basic ihre Eigenmarken ausdifferenzieren. Basic steckt derzeit noch in der Planung, Mitte des Jahres bringt der Biohändler eine Premiummarke raus, bestätigt Gerhard Sailer, Leiter Einkauf bei Basic.

Alnatura ist da weiter: Schon seit gut einem Jahr gibt es „Alnatura Origin“ und „Alnatura Sélection“. Vom Feld direkt ins Glas, lautet ein Motto. Das Sortiment dieser Premiumlinien wurde und wird kontinuierlich erweitert. Die Kundschaft soll die Wahl haben, sie soll sich etwas gönnen.

„Alnatura Sélection ist auf Wunsch der Kunden entstanden“, sagt Ursula Christmann, die Produktmanagerin. Vor allem Schokolade, Marmeladen, Tee und Gebäck gibt es bisher in der Sélection-Linie. Als Geschenk für Freunde oder an sich selbst sollen die Premiumprodukte dienen. Das will Alnatura durch edle Verpackungen, exklusive Zutaten und ein „Schäufelchen mehr“ erreichen. Also in etwa so: Statt 55 Prozent Kirschen enthält die Premium-Marmelade 70 Prozent. Das kostet den Käufer rund ein Drittel mehr als die normalen Produkte. Wie gut sich die Sélection-Linie tatsächlich verkauft, kann oder will die Firma nicht sagen.

„Was Alnatura als Premium verkauft, ist gravierend schlecht im Geschmack“, meint Manufakturist Köller

Dass Premium wichtig für die weitere Entwicklung des Marktes sein wird, scheint unumstritten. Markenexperte Klaus Brandmeyer erklärt das so: „Es liegt in der Natur des Menschen, sich abgrenzen zu wollen.“ Premiummarken als Mittel zur Differenzierung also. Der Biobereich sei in den letzten Jahren stark gewachsen, ein Massenmarkt ist entstanden. Innerhalb dieser Masse sollen die Premiumprodukte jetzt zur Abgrenzung dienen, sagt Brandmeyer. „Das funktioniert nach dem alten Muster: Wir da oben, ihr da unten.“ Damit folgt der Biomarkt einer Entwicklung, die sich im konventionellen Lebensmittelbereich schon vor 20 Jahren durchgesetzt hat. Nicht nur Bio wird Mainstream, sondern auch die Biohändler.

Käufer von Bioprodukten verdienen oft mehr als der Durchschnitt, sagen verschiedene Studien. Die Gruppe ist trotzdem heterogen. Vom jungen Studenten, der gelegentlich zum Bioprodukt vom Discounter greift, bis hin zur Oberstudienrätin, die aus Prinzip im kleinen Bioladen einkauft. Der Umsatz hat sich in den vergangenen neun Jahren beinahe verdreifacht. Der Bioanteil bei Lebensmitteln liegt trotzdem bei bescheidenen 3,5 Prozent.

„Der Biomarkt hat sein Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft“, sagt Jörg Reuter, der als Geschäftsführer von „grüneköpfe“ seit Jahren Biounternehmen in Strategiefragen berät. Es gebe unter den Kunden zwar Sympathien für Biolebensmittel, die Branche hemme sich aber selbst. „Die Kunden schreien nach mehr Bio, sie wollen mehr Auswahl im Bioladen, verschiedene Preis- und Qualitätsstu- fen, wie im herkömmlichen Supermarkt auch.“ Da sei es nur sinnvoll, wenn sich der Markt weiter ausdifferenziere und auch das Premiumsegment für sich entdecke. „Alnatura waren die Ersten, die das erkannt haben.“

Was aber heißt Premium überhaupt? Zunächst einmal: über den Standard hinausgehend, teurer, besser als der Rest. Bei Lebensmitteln ganz allgemein also besserer Geschmack, edle Verpackung und exklusive Zutaten. „Bei Bio reicht das aber nicht aus“, sagt Elke Röder, Geschäftsführerin beim Bundesverband Naturkost Naturwaren. Wichtig seien daneben ethische, soziale und regionale Komponenten. Fair Trade gehöre dazu, umweltverträgliche Verpackungen, faire Arbeitsbedingungen. Nachhaltigkeit und Ganzheitlichkeit also. Das Produkt muss eine Geschichte haben. Etwa die Salami, die nur in diesem kleinen italienischen Dorf hergestellt wird, der hervorragende Dill, den ausschließlich vier Bauern in Oberfranken anbauen, von dem es also nur wenige Kilogramm im Jahr gibt. „Nur weil die Verpackung schwarz und edel ist und die Marmelade 20 Prozent mehr Frucht enthält, entsteht noch lange kein Premiumprodukt“, sagt Röder.

Bio muss also mit Werten verbunden werden, nur so kann daraus echtes Premiumbio werden. Biokunden wollen heute ein Zeichen setzen, für die Hersteller gibt es also zahlreiche Ansätze, sich abzuheben. „Sie müssen nur Ideen entwickeln.“

„Die Kunden schreien nach mehr Bio“, sagt Marketingmann Jörg Reuter, „und nach mehr Auswahl“

Handarbeit versus Masse

Abheben konnten sich bisher kleine, regionale Hersteller, Manufakturen, Direktvermarkter, Confiserien. Sie stellen besondere Produkte her, produzieren kleine Mengen, Premium pur. Müssen sie die Großen fürchten? „Echte Premiumqualität können die doch gar nicht anbieten“, sagt Olaf Köller, Inhaber der Köller Biomanufaktur im brandenburgischen Templin. Seit neun Jahren stellt er Eis, Aufstriche, Liköre und Schokolade her – alles in Handarbeit. 2004 hat er die Produktion komplett auf Bio umgestellt. Konkurrenz durch die Big Player im Markt fürchtet Köller nicht. „Das, was Alnatura als Premium verkauft, ist gravierend schlecht im Geschmack.“ Viel zu wenig Inhalt, schlechte Qualität der Zutaten – einen „Werbegag“ nennt er das. Edle Verpackungen allein reichten nicht. Köller ist sicher, dass die Kunden das auch schnell merken.

Alnatura und Basic versuchen, für ihre Käufer vielfältige Produkte unter eigener Marke anzubieten. Für Marketingstratege Reuter ist klar, dass sich diese Entwicklung fortsetzt: „In den nächsten zwei Jahren werden weitere Biohändler und -hersteller Premiumlinien auf den Markt bringen.“ Ob sich die im Biomassenmarkt auch verkaufen lassen, muss sich zeigen. Letztlich wird sich, so war es schon immer im Biobereich, Qualität durchsetzen. Gut für die Kleinen wäre das.