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Archiv-Artikel

Aidskampagne wirkt nicht mehr

Besonders junge Leute sind ahnungslos und stecken sich vermehrt mit dem HI-Virus an. Aids-Hilfe: Plakate erreichen die Zielgruppe nicht. Mehr Infektionen auch bei Migranten und Auslandsreisenden

VON TORBEN IBS

Junge Berliner kennen kaum noch die Gefahren, sich mit HIV zu infizieren. Das führt zu einem vermehrten Anstieg der Neuinfektionen in dieser Gruppe. Zu diesem Fazit kommt die Berliner Aids-Hilfe, die gestern ihre Jahrespressekonferenz anlässlich des Welt-Aids-Tages am 1. Dezember veranstaltete. Die Folgen dieses Unwissens zeigen nackte Zahlen. „Rund 10 Prozent der neu Infizierten sind unter 20 Jahre alt“, sagt Bernhard Bieniek vom Arbeitskreis Aids der niedergelassenen Ärzte Berlin. Sogar 16-Jährige infizieren sich schon mit dem tödlichen Virus. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Neuinfektionen deutschlandweit zu – auch in Berlin, das überproportional betroffen ist. Jeder vierte bis fünfte neu Infizierte lebt in der Hauptstadt.

Die Gründe hierfür liegen, so die Berliner Aids-Hilfe, nicht in einer mangelnden Präventionsarbeit, sondern in deren Ineffizienz. „Die Kampagne ‚Mach’s mit‘ von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist zwar massenwirksam, aber sie erreicht die relevanten Zielgruppen nicht“, sagt Kai-Uwe Merkenich, Geschäftsführer der Berliner Aids-Hilfe.

Sein Verein versucht daher, mit speziellen Aktionen an die verschiedenen Jugendszenen heranzukommen und über Aids aufzuklären. Zum einen, indem die Mitglieder selbst in den Szenen aktiv werden, zum anderen durch die Ausbildung von Multiplikatoren. „Aids ist nun einmal nicht heilbar“, so Merkenich. Er beklagt, dass viele die positiven Meldungen über neue Therapien in dieser Hinsicht missverstanden hätten.

Ein weiteres Problemfeld sind die hohen Infektionsraten im Ausland, wo neben den traditionellen Brennpunkten Asien und subsaharisches Afrika vor allem der osteuropäische Raum mit einem wahren Flächenbrand zu kämpfen hat. Diesen dokumentiert auch der Film „So wollen wir nicht sterben“ über Aidskranke im ukrainischen Odessa, der am 1. Dezember in Berlin Premiere hat. Via Immigration nach Deutschland, aber auch durch vermehrten Besuch von Deutschen in diesen Regionen steigt die Ansteckungsgefahr. „Da findet ein Austausch von Körperflüssigkeiten mit anderen Regionen der Welt statt“, sagt Bieniek und fordert den verstärkten Einsatz der Bundesregierung bei der Bekämpfung der HIV-Epidemie weltweit.

Gleichzeitig fehlen gerade in Berlin niederschwellige Angebote für die oftmals unter der Armutsgrenze lebenden MigrantInnen, die sich mit HIV infiziert haben. So ist bei osteuropäischen Menschen sehr oft eine Kombination aus Tuberkulose und HIV zu beobachten, die aber viel zu spät erkannt wird, weil die Betroffenen aus Angst vor Ausweisung die staatlichen Krankenhäuser und Gesundheitsämter scheuen.

Um auf diese und viele andere Probleme öffentlich aufmerksam zu machen, wird die Aids-Hilfe Berlin auch dieses Jahr wieder Aktionen rund um den Welt-Aids-Tag stattfinden lassen. So werden am 27. November rund 500 Helfer ausschwärmen, um mit roten Schleifen die Berliner Bevölkerung auf den Ernst der Lage hinzuweisen und Geld für die Aids-Hilfe zu sammeln. Sammelaktionen wird es auch in Berliner Clubs und Theatern geben.

Am 30. November wird die Berliner Aids-Hilfe außerdem ab 18 Uhr einen Trauerzug von der Meinekestraße bis zur Urania veranstalten, wo der Aidsopfer in aller Welt mit einem Lichtermeer gedacht werden soll.