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Archiv-Artikel

Der Mann als Ware

Im Hamburger „Männergarten“ können Frauen ihre Männer abgeben, wenn sie einkaufen gehen. Ein Fortschritt im Namen der Geschlechterverständigung? Eher ein Beweis, dass es diese nicht gibt

AUS HAMBURG TIM BOEHME

Holger ist am Wochenende oft mit seiner Frau in der Stadt. Gemeinsames Einkaufen geht auch grundsätzlich in Ordnung, aber „wenn die dritte Hose nicht passt, dann muss das langen“. Seine Frau ist da ausdauernder. Damit sie also in Ruhe weiter suchen kann, braucht sie nichts weiter zu tun als ihren Mann in dem in Hamburgs Innenstadt gelegenen „Männergarten“ für 10 Euro gegen Quittung abzugeben. Dafür erhält er eine Mahlzeit, Kaffee und zwei Bier. Ein Namensschild gibt es auch für den verwahrten Mann.

Fußball, Bier, Stimmung

Die Quittung und das Namensschild stören Holger keinesfalls, im Gegenteil, so komme man mit den anderen Geschlechtsgenossen leichter ins Gespräch. Falls ihm doch langweilig wird, gibt es genug Ablenkung: Ein Fernsehturm, von einem Privatsender gespendet, bietet die Möglichkeit, Fußball zu gucken. Wer lieber spielen will, für den ist eine Carrerabahn aufgebaut. Zur Lektüre liegen einschlägige Fachzeitschriften bereit wie GQ, Playboy und Penthouse, aber auch das Journal für die Frau.

Das Spiel mit Klischees will der Betreiber Alexander Stein jedoch nicht übertreiben. Der Anfrage nach einer Striptease-Show erteilte er eine Absage: „Dafür gibt es die Reeperbahn.“ Diese Abgrenzung ist durchaus angebracht, denn mancher Gast scheint mit einem „Männergarten“, in dem eine „Männergärtnerin“ bedient, recht Zweideutiges zu verbinden. So fragte sich Holger vor seinem ersten Besuch, ob ihn wohl eine Serviererin in knapper Kleidung erwarten würde. Ein weiterer Interessent gibt zu Protokoll: „Bier ist gepflegt, Fußball, wo sind die Pornos?“

Steins Idee, Männern die nervenaufreibende Zeit bei gemeinsamen Besuchen mit der Frau in der Stadt zu ersparen, ist bei dem überwiegend biederen Publikum nicht nur gut angekommen, sondern hat auch für reichlich Medienwirbel gesorgt. Was macht diese Dienstleistung, die andernorts bereits Nachahmer findet, so besonders? Handelt es sich gar um einen heroischen Versuch mit dem Ziel, das Zusammenleben von Frauen und Männern zu erleichtern? Mal angenommen, dass das Verhältnis der beiden Geschlechter zueinander nicht naturgegeben ist, sondern mühevoll konstruiert werden muss, dann gehört dazu sicherlich auch die Berücksichtigung der je unterschiedlichen Bedürfnisse der Geschlechter. Und mit etwas Abstand lässt sich die Fremdheit des anderen Geschlechts auch gleich viel leichter ertragen.

Ob das Unbehagen der Geschlechter auf diesem Wege vermindert werden kann, ist jedoch sehr die Frage. Holger beispielsweise erklärt sich und die anderen Gäste zu „gleichgesinnten Opfern oder Siegern“. Der Triumph der Männer besteht nun vermutlich darin, dass sie den Frauen mit ihren sonderbaren Gewohnheiten – für eine Weile zumindest – entkommen und sich dabei ihrer selbst versichern können. Auf diese Weise verdecken die Geschlechtertrennung und der Einsatz gängiger Klischees lediglich das Problem des Geschlechterkonflikts, das nicht zuletzt für die Einrichtung des „Männergartens“ ausschlaggebend war, statt eine Perspektive für neuen Formen des Miteinanders zu eröffnen.

Artgerecht untergebracht

Bemerkenswert ist zudem, dass die Männer, die sich im „Männergarten“ einfinden, durch die Quittung, welche die Frauen für ihr Depositum erhalten, symbolisch zu Waren erklärt werden. Durch die „männergerechte“, gewissermaßen normierte Ausstattung wird der Warencharakter zusätzlich bestätigt. Und wonach sehen sich die abwesenden Frauen in der Zwischenzeit um? Eben. Am Ende ist es daher wohl weniger die Geschlechtertrennung beim Einkauf als vielmehr die Vermittlung durch die Konsumgüter, welche die Beziehung von Frauen und Männern regelt. In der Warenwelt, in der immerhin eindeutige Tauschverhältnisse bestehen, begegnen sich die Geschlechter, allerdings um den Preis ihrer Neutralisierung. Dafür braucht es im Gegenzug die Möglichkeit der eigenen Vergewisserung, wie sie der „Männergarten“ bietet. Der „Männergarten“ in Hamburg ist damit weniger Ausdruck männlicher Emanzipation als ein Symptom dafür, dass es das Verhältnis der Geschlechter eigentlich gar nicht gibt.