: Ultimative Kündigung
Nach dem 1:6-Debakel im Pokal in Bremen erkennen Hertha BSC und Trainer Stevens, dass siedoch nicht zueinander passen. Nun soll vorübergehend Andreas Thom für Besserung sorgen
AUS BERLIN MARKUS VÖLKER
Am Donnerstag um 13.08 Uhr schritt Andreas Thom in den proppevollen Presseraum von Hertha BSC, der Mann, der in den nächsten Wochen für „Aufbruchstimmung“ sorgen soll. Thom, 39, sah indes gequält aus, aschfahl das Gesicht, nicht einen Funken von Zuversicht versprühend. Wie ein geprügelter Hund nahm er neben Manager Dieter Hoeneß Platz, ließ den Boss ein paar einführende Worte zur Kündigung von Huub Stevens sagen, bevor er selbst das Wort ergriff: „Ich wurde mit der Aufgabe konfrontiert, die Mannschaft zu übernehmen“, sagte er knapp.
Es sah ganz danach aus, als wäre der Amateurtrainer der Konfrontation mit dem Manager, die in einer Beförderung gipfelte, liebend gern aus dem Weg gegangen. Thom hatte dann auch nicht besonders viel Lust, sich zum neuen Posten, den er bereits einmal in Assistenz von Falko Götz im Frühjahr 2002 eingenommen hatte, groß und breit auszulassen. „Die Situation ist nicht einfach“, verkündete er matt, „ich stelle mich halt der Aufgabe und hoffe, dass die Mannschaft mitzieht.“ Thom darf bis Januar am Aufbruch arbeiten, dann wird ihn ein Nachfolger beerben. Der Mannschaft bleibt nichts anderes übrig, als den Anweisungen von „Andy“ Hoeneß zu folgen. Außerdem kommt es nicht ganz so schlimm für die Angestellten von „Hertha BSE“ (Kurier), denn der Übergangscoach ist einer, so Hoeneß, der „für eine gewisse Lockerheit“ sorgen kann, „neben seiner fachlichen Qualifikation natürlich“.
Hertha steht aktuell auf Tabellenplatz 17, einem Abstiegsrang. Am Mittwoch verloren die Berliner im Pokal 1:6 gegen Werder Bremen. Dieses Spiel brachte das seit geraumer Zeit bedrohlich schwappende Fass zum Überlaufen. „Nach dem Pokalspiel gab es keine andere Lösung mehr“, sagte Hoeneß. „Es war schlichtweg so, dass alle Register gezogen waren.“ Lange, nach Meinung vieler Berliner Medien zu lange hatte er zu Huub Stevens gehalten, sich kurzfristig mit einem Ultimatum beholfen und sich in seiner Nibelungentreue selbst der massiven Kritik des Berliner Boulevards ausgesetzt. Die Blätter ließen zuletzt keine Gelegenheit aus, den Rauswurf von Stevens zu betreiben. Einmal zitierten sie den Bruder des Holländers; brachen damit die stille Übereinkunft, die Familie aus dem Spiel zu lassen, ein andermal listete die B.Z. gleich fünfzig Gründe auf, warum sich Stevens zum Teufel scheren kann.
Der hundsmiserable Auftritt im Bremer Weserstadion erledigte die Kampagne von selbst, danach war der 50-Jährige nicht mehr zu halten, auch nicht von Hoeneß, der dem Ex, bei der Vorstellung von Thom nicht anwesend, noch mal anerkennende Worte nachsandte. „Es war eine sehr schwere Zeit für ihn, ich respektiere seine Entscheidung ausdrücklich“, sagte Hoeneß.
Nach dem Bremer Debakel hatte es in der Kabine eine Aussprache gegeben, in der Stevens seinen Rücktritt vorgeschlagen hat. „Ich will dem Verein keine Belastung sein“, soll der Protegé in der kurzen Unterredung zum Mentor gesagt haben. Hoeneß hatte daraufhin in Interviews am Mittwochabend gesagt, noch einmal darüber schlafen zu wollen, bevor er sich definitiv festlegt. Aber auch eine Nacht später hatte sich nichts, aber auch gar nichts an der vertrackten Lage geändert: Stevens war zum Abdanken verdammt, Hoeneß gezwungen, einen Kardinalfehler einzugestehen, einen Fehler, der ihm wie ein kleiner Canossagang in die Redaktionsstuben der Stevens-Feinde vorgekommen sein muss. In der letzten Zeit hatte er in wortreichen, beschwerdelastigen Telefonaten die Journalisten von seiner Sicht der Dinge zu überzeugen versucht, vergebens.
Hoeneß kroch also zu Kreuze: „Wenn man eine Entscheidung trifft und die dann später revidieren muss, muss man eingestehen, dass die Entscheidung falsch war.“ Heraus war es, das Eingeständnis. Der Blick konnte wieder nach vorn gerichtet werden – oder auf Andreas Thom. Aber der war längst schon davongeeilt. Seinen Aufbruch in der laufenden Pressekonferenz begründete er mit dem unmittelbar bevorstehenden Training der Profis. Er müsse sich vorbereiten. „Ich werde keine weiteren Fragen beantworten“, knüpfte Thom an die Tradition von Stevens an und entschwand.
Hoeneß, Manager und Allesmacher im Verein, Dieter BSC gewissermaßen, monologisierte schließlich noch ein wenig („So ein Wechsel löst ja was aus …“), sprach davon, Andreas Thom nicht mit einer Hypothek, also Siegvorgaben zu belasten, und hoffte, hoffte, hoffte „auf die Aufbruchstimmung“. Die sich wie ein Wunder über die verunsicherten, demoralisierten Kicker legen möge – zu besichtigen am Samstag beim Spiel Herthas im Dortmunder Westfalenstadion.