Verdacht: Terroristen-Schleusung

In München wurde ein Iraker verhaftet, der potenzielle Selbstmordattentäter für die islamistische Kurdenorganisation Ansar al-Islam in den Irak geschleust haben soll. Die Gruppe aus dem Nordirak soll in Deutschland rund 100 Anhänger haben

AUS MÜNCHEN JÖRG SCHALLENBERG

Der bayerischen Polizei ist offenbar ein Schlag gegen eine islamistische Terrorzelle in München gelungen. Am Dienstagnachmittag verhafteten Kriminalbeamte am Münchner Hauptbahnhof den 29-jährigen Iraker Mohammed L., der sich anscheinend gerade aus der Stadt absetzen wollte. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, steht der Iraker unter dem Verdacht, für die radikal-islamische Kurdenorganisation Ansar al-Islam potenzielle Selbstmordattentäter in den Irak zu schleusen, die Anschläge gegen die US-Besatzungstruppen ausführen sollen. Generalbundesanwalt Kay Nehm prüft nun, ob er die Ermittlungen wegen des Verdachts auf die Bildung einer terroristischen Vereinigung an sich zieht.

Offiziell bezieht sich der Haftbefehl bislang nur auf Verstöße gegen das Ausländergesetz. Wie der leitende Münchner Oberstaatsanwalt August Stern gestern mitteilte, wird Mohammed L. „das gewerbs- und bandenmäßige Einschleusen von Ausländern“ vorgeworfen. Zum Verdacht, Terroristen in den Irak zu bringen, äußerte sich der Oberstaatsanwalt „aus ermittlungstaktischen Gründen“ nicht.

Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) sagte, dass die Organisation Ansar al-Islam bereits seit längerem vom Verfassungsschutz beobachtet werde. Laut bayerischem Verfassungsschutzbericht 2002 verfügt die Gruppe aus dem Nordirak in Deutschland über etwa 100 Anhänger, rund 20 davon leben in Bayern. Ansar al-Islam bekämpft demnach Juden, Christen und Anhänger eines säkularen Staates gleichermaßen. Ihr Anführer Mullah Kretar propagiert nach den Erkenntnissen der Ermittler Selbstmordattentate und verfügt über enge Beziehungen zu al-Qaida. In Deutschland soll Kretar in den vergangenen Jahren mehrfach um Unterstützung geworben und Geld eingesammelt haben. Laut Sicherheitsexperten gilt Ansar al-Islam als eine der gefährlichsten islamistischen Terrororganisationen. Die USA vermuten Ansar al-Islam hinter dem Anschlag auf die Jordanische Botschaft in Bagdad im August, bei dem 17 Menschen getötet wurden.

Die Verhaftung am Münchner Hauptbahnhof war allerdings trotz der Beobachtung durch Verfassungsschutz und Polizei nicht von langer Hand geplant. „Wir mussten früher zugreifen, als wir wollten“, sagte der Präsident des Bayerischen Landeskriminalamtes, Heinz Haumer. Offenbar waren die Ansar-al-Islam-Aktivisten durch Zeitungsberichte gewarnt worden. Ein mutmaßlicher Komplize von Mohammed L., genannt „Mullah Braun“, soll deshalb bereits untergetaucht sein. Ein weiteres Mitglied der Terrorzelle sitzt schon seit mehreren Monaten in Haft.

Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning, warnte kürzlich, dass in jüngster Zeit Reiseaktivitäten von islamistischen Extremisten aus Deutschland in Richtung Irak zu beobachten seien. Offenbar würden auch gezielt Kandidaten als Selbstmordattentäter für den „heiligen Krieg“ gegen die USA angeworben.