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Archiv-Artikel

berliner szenen Mit fünf Bällen jonglieren

Blinkendes Nirwana

Die ersten Monate in der Kneipe hatte er immer alleine am Flipper gestanden und oft gesagt, dass man alleine sehr viel besser spielen könne. Einerseits war der ehemalige Revolutionär menschenscheu, andrerseits neugierig: Der Flipper war der Türöffner zur Gesellschaft der anderen gewesen, die hier sonst noch herumsaßen und mit denen er sich im Laufe der Jahre anfreundete.

Er spielte seit mehr als dreißig Jahren, holte regelmäßig Freispiele, doch zum Highscore hatte es nie gereicht. An diesem Abend sah es verdammt gut aus. Mit der ersten Kugel hatte er schon das Freispiel geholt, die zweite war so lala und die dritte sensationell. Scheinbar endlos hielt er die Kugel im Spiel, herrliche Rechts-links-Kombinationen gelangen, Durststrecken, in denen er nichts traf, wurden souverän überbrückt, einen eigentlich nicht zu rettenden Ball rettete er mit einer Kombination aus einem wohldosierten Schlag und vor allem dadurch, dass er den linken Flipper vielleicht eine Zehntausendstelsekunde früher betätigte als den rechten. Kleine Ewigkeiten jonglierte er gar mit fünf Bällen.

Überall blinkte und leuchtete es bunt. Wenngleich schwitzend hinter seiner Brille, schien er doch das Nirwana erreicht zu haben. Das Flippern war ihm ein wirkliches Flippern und gleichzeitig auch ein Nichts, wodurch das Flippern noch kühner, noch entschlossener wurde. Wenige Punkte trennten ihn noch vom Highscore.

Was nun geschah, geschah in Sekundenschnelle. Vier junge Türken kamen, einer von ihnen stellte sich neben den flippernden Freund, klopfte ihm leutselig auf die Schulter, sagte freundlich, er heiße sowieso, und versuchte ihm die Hand zu geben. Und das war’s dann.

DETLEF KUHLBRODT