Die Adler plagen Probleme

Im finnischen Kuusamo beginnt heute Abend die Skisprungsaison. Die deutschen Überflieger von einst sind schon davor auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Peter Rohwein soll dies wieder ändern

AUS KUUSAMO KATHRIN ZEILMANN

Abends im Kongresszentrum zu Ruka, nahe der finnischen Stadt Kuusamo, sitzen acht Athleten des Deutschen Skiverbandes an einem Tisch und erwarten die Fragen der Journalisten. Vor dem Weltcupauftakt der Skispringer müsste es dem neuen Cheftrainer Peter Rohwein eigentlich Angst und Bange werden, wenn er in die Gesichter seiner Schützlinge blickt: ein bisschen Langeweile, ein bisschen Unsicherheit, nirgends Zuversicht. Rohwein muss vor dem Saisonstart mehr Sorgenkinder denn Hoffnungsträger verwalten. Dazu kamen Unkenrufe aus Oberwiesenthal: Jens Weißflog bekundete seine Sorge, dem Skispringen könne es genauso ergehen wie dem Tennis: Hochgejubelt und beliebt, doch dann gingen Persönlichkeiten und Popularität verloren.

„Man muss sich ein dickes Fell wachsen lassen“, sagt Rohwein. Das klingt wie eine Zwischenbilanz nach sieben Wochen im Amt des Cheftrainers der deutschen Skispringer. Die Sommerwettbewerbe waren bis auf wenige Ausnahmen ein Flop, Trainer Wolfgang Steiert war mit seiner forschen Art, hinter der kein Konzept zu erkennen war, zu sehr angeeckt, die Angst vor einer neuerlichen Saison voller Pleiten war zu groß. Rohwein, bislang Steierts Assistent, musste einspringen – und wurde zum Chef.

Probleme zu betreuen hat er nun zuhauf: Der vierfache Weltmeister Martin Schmitt etwa lebt nur noch vom Glanz früherer Tage. „Er hat hart zu arbeiten“, sagt Rohwein. Schmitt sagt: „Ich bin immer noch auf dem Weg und nicht am Ziel.“ Michael Uhrmann musste wegen der neuen Gewichtsregel rund vier Kilo zunehmen. „Es wird von Woche zu Woche besser“, sagt der einzige deutsche Springer, der im Vorwinter einen Weltcupsieg feiern konnte, zaghaft. Michael Neumayer, bester Deutscher bei den Sommerwettbewerben, ist beim Training in St. Moritz gestürzt und hat sich Verletzungen im Gesicht zugezogen. Georg Späth, mit Platz neun im Gesamtweltcup und zwei Podestplätzen im Vorwinter eigentlich der aussichtsreichste Kandidat auf erfolgreiche Platzierungen, demolierte seinen Schuh, mit dem er fast drei Jahre lang gesprungen war. Die Suche nach neuem Material dauerte lange. „Das ist ein sensibler Bereich“, erklärt Co-Trainer Henry Glaß. Rohwein schränkt ein, dass sich Späth am Anfang des Winters ohnehin immer schwer getan habe. Schließlich noch Maximilian Mechler, Alexander Herr, Stephan Hocke und Jörg Ritzerfeld: Gut genug fürs Nationalteam, aber auch gut genug für den internationalen Vergleich? Und der am Burn-out-Syndrom erkrankte Sven Hannawald schiebt ein mögliches Comeback immer weiter hinaus.

Kein Wunder, dass Rohweins Erwartungen nicht sonderlich hoch fliegen. Aber anders als Vorgänger Steiert, der die Öffentlichkeit gerne mit markigen Sprüchen bediente, gibt sich der Neue zurückhaltend. Bedächtig wählt er seine Worte – und hat doch klare Vorstellungen. Wenn heute Abend das erste Springen der Saison stattfindet, sei das keineswegs richtungsweisend für den ganzen Winter: „Das ist ein Weltcup von 31. Läuft es gut, dann gibt das Selbstvertrauen. Mehr aber auch nicht.“

Sicher, der Weltcup darf schief gehen, denn eigentlich zählen in diesem Winter vor allem die Vierschanzentournee und die Ski-Weltmeisterschaft im eigenen Land. Edelmetall in Oberstdorf wird gefordert, präsentiert sich das Team im Weltcup auch noch so durchschnittlich. „Es müssen alle Mosaiksteinchen passen, dann kann es mit meiner Medaille klappen“, sagt Rohwein. Besonders euphorisch klingt das nicht.