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Archiv-Artikel

Immer noch Borusse

Schalke gewinnt gegen Mönchengladbach 2:1. 04-Coach Jupp Heynckes nutzt das, um den Gegner zu loben, bei dem er als Spieler seine größten Triumphe feierte und seine Trainerlaufbahn begann

AUF SCHALKE HOLGER PAULER

Dass nach einem Fußballspiel beide Trainer zufrieden sind, kommt schon mal vor. Meistens lässt das auf einen unentschiedenen Ausgang schließen. Das war beim Spiel Schalke 04 gegen Borussia Mönchengladbach diesmal nicht der Fall. Die Schalker siegten 2:1. Wenn dann aber auch noch der Trainer der siegreichen Mannschaft den unterlegenen Gegner lobt, sollte man genauer hinschauen. Am besten doppelt.

Zunächst einmal: Die Argumentationskette ist bei SchalkeTrainer Jupp Heynckes nicht neu. Nach dem Spiel lobt Heynckes die Gegner regelmäßig in den Himmel, um später aufs allgemeine Spiel – das natürlich immer „sehr gut“ war – abzuheben. Die Heynckes’sche Dialektik kommt so zu sich. Er versucht dadurch vom recht bescheidenen Gekicke seiner eigenen Mannschaft abzulenken. Dass er damit zumindest den Nerv der Champagnerfraktion auf der Haupttribüne noch nicht getroffen hat, zeigten die Pfiffe beim Stand von 1:0. Mitte der ersten Halbzeit hatte Tomasz Hajto mal wieder den Ball ohne Motivation auf die Tribüne gedroschen und so für Unmut gesorgt. Der Schalker Trainer versuchte das Publikum gestenreich zu beruhigen und blickte dabei sehnsüchtig Richtung Gladbacher Bank.

Für Jupp Heynckes sind Spiele gegen seinen Exklub immer etwas Besonderes. In Mönchengladbach hatte er als Spieler seine größten Erfolge, am Bökelberg begann seine Trainerlaufbahn. Auf der Pressekonferenz widmete Heynckes sich ausführlich dem Spiel der Gäste – und vergaß darüber sein eigenes Team. „Die Ballpassagen der Gladbacher waren vom Feinsten“, sagte er hinterher, „ich glaube wir haben ein sehr gutes Spiel gesehen, was vor allem am Gegner lag.“ In den Lobpreisungen schwang etwas mit, was die rein sachliche Ebene überstieg. Es wurde schnell klar: Der Mann ist immer noch Borusse. Dass Jupp Heynckes zur Pressekonferenz nicht im Gladbachtrikot erschien, war dann aber doch wieder beruhigend.

Tatsächlich zeigten die Gladbacher die bessere Spielanlage – zumindest bis zum gegnerischen Strafraum. Sobald sie aber in Tornähe kamen, verweigerten sie den Abschluss. Der einzige Treffer wurde konsequenterweise von Schalkes Thomas Kläsener vorbereitet. „Ich bin mit dem Spiel meiner Mannschaft zufrieden“, sagte Mönchengladbachs Trainer Holger Fach, „wenn wir so auftreten, können wir überall punkten.“ Auf die Nerven gingen ihm nur die zwei Situationen, die zu den Gegentoren führten: Der Schalker Jochen Seitz konnte für seine beiden Treffer jeweils 40 Meter Anlauf nehmen. Besonders ärgerlich war der frühe Rückstand in der ersten Minute: „Neun Spieler stehen bei unserem eigenen Freistoß vor dem Ball, und wir laufen in einen Konter“, wirkte Holger Fach verzweifelt. Glaubt man Heynckes, war die Sache von langer Hand geplant: „Ich wusste, dass die rechte Gladbacher Seite unterbesetzt ist, deshalb habe ich Seitz dort aufgestellt.“ Der Mann kennt sich in Sachen Mönchengladbach halt gut aus. Schade für Bernd Korzynietz, der auf der rechten Seite allein blieb und in der Defensive überfordert war.

Der Aufwärtstrend der Gladbacher ist durch die Niederlage erst einmal gestoppt. Drei Siege in Folge, darunter der im Pokal über den bis dahin noch ungeschlagenen VfB Stuttgart, lassen aber die Ansprüche steigen. Und auch das Selbstbewusstsein. Auf Schalke gönnte sich Holger Fach den Luxus, den dreifachen Pokaltorschützen Vaclav Sverkos auf der Bank zu lassen. „Um etwas Druck von ihm zu nehmen“, erklärte Fach hinterher. Er wolle den 21-Jährigen nicht verheizen. Stattdessen stürmten Joris van Hout und Arie van Lent. Beide sind in der Spielanlage sehr ähnlich. Zusammen fehlte das Überraschungsmoment und dem Gladbacher Spiel die Durchschlagskraft. In der Schlussphase konnte auch der eingewechselte Sverkos das Spiel nicht mehr drehen. Die Gäste waren längst in das stupide Muster lang geschlagener Bälle verfallen.

Dennoch wird offensichtlich, dass die Gladbacher das starre Defensivkonzept von Ewald Lienen gegen technisch starken Kombinationsfußball eingetauscht haben. Für die Zuschauer ist das eine schöne Sache; für die eigenen Fans allerdings nur, wenn es erfolgreich ist. Und die gegnerischen Trainer freuen sich über die frei gewordenen Räume. Für Jupp Heynckes ein Grund mehr, den äußerst angenehmen Fußballabend unbeschwert zu genießen.