: Planlos zum Harakiri
Bremer Kulturpolitik, es gibt sie noch: Gestern ließen die Kulturinitiative „Anstoß“ und der Senat von sich hören
Den Kulturschaffenden brennt es unter den Nägeln, und das nicht erst seit gestern. Seit Monaten wird angekündigt, dass trotz Bremens Kulturhauptstadtbewerbung die Kürzungsquote von 5,6 Prozent im Kulturetat umgesetzt werden soll – nach wie vor offen ist allerdings, welche Institutionen in welchem Ausmaß betroffen sein werden. Gleichzeitig stellt der Senat 10,5 Millionen Euro für „Umbaumaßnahmen“ der Bremer Kulturlandschaft zur Verfügung und kündigt einen „Masterplan zur kulturpolitischen Profilierung“ an, auf dessen Grundlage die Mittel vergeben werden sollen – allein, ein Masterplan ist nicht in Sicht, und darüberhinaus ist unklar, ob und inwieweit die „Umbau-Mittel“ den Spardruck lindern werden. Antworten müsste eigentlich die Kulturverwaltung wissen – weiß sie aber nicht. In der Behörde verweist man stattdessen mit beharrlich zuckenden Schultern auf die Sprechblasen der Vergangenheit (Koalitionsvertrag) oder die Anstrengungen in fernerer Zukunft (ungewiss).
Nach Wochen des Abwartens dann gestern: eine Pressekonferenz der Kulturinitiative „Anstoß“. Und, quasi zeitgleich: Die Antwort des Senats auf eine Große Anfrage der Grünen zur „Konzeption der Kulturpolitik 2003-2007“. Ein Zufall, dass beides am selben Tag kam – als gäbe es an der Weser ein kollektives kulturpolitisches Unterbewusstsein, das sich unberechenbar und instinktiv vor der Weihnachtspause noch mal Bahn bricht.
Dabei holte sich „Anstoß“ gestern die Kulturpolitische Gesellschaft und den Kulturrat ins Boot, um vor allem eines deutlich zu machen: „Wenn die Kürzungen in den Haushalten 2004/05 durchgehen, wird es zu Schließungen kommen in einer Kulturszene, die sowieso schon unterfinanziert ist“, so Klaus Pierwoß von „Anstoß“. 2004 fehlten 2 Millionen, 2005 fehlten 6 Millionen und für die Kulturhauptstadt-Bewerbung bedeute eine so ausgedörrte Kulturlandschaft schlichtweg Harakiri. Nachdem seitens der Kulturbehörde keine Beschlüsse vorlägen, gebe es auch keine Planungssicherheit für die Institutionen – Brigitte Schulte-Hofkrüger sprach als Vertreterin des Kulturrats von einem „kulturpolitischen Vakuum“, einer „Aktions- und Reaktionsunfähigkeit der Verwaltung“.
Thomas Frey von der Kulturpolitischen Gesellschaft berichtet, in Sachen „Masterplan“ sei in der Kulturdeputation „bisher nie etwas vorgelegt worden.“ In einer siebenseitigen Stellungnahme kritisierte er die Reduzierung der Kultur auf „ein Instrument“, das „an seiner Brauchbarkeit für den fiskalischen Sanierungszweck gemessen wird.“ Und, einmal mehr: „Es fehlt der politischen Spitze und dem Kulturressort an einer kulturpolitischen Konzeption.“
Eine Einschätzung, die die Antwort des Senats auf die Anfrage der Grünen traurig belegt: Neben der schwammigen und nicht mehr ganz taufrischen Idee einer „Schwerpunktsetzung im Bereich der Museen und der freien Szene“ verrät der Senat: „Kulturelle Bildung und Weiterbildung“ wolle man „in den Vordergrund stellen“ – „Schulen und Hochschulen sind hier Bündnispartner der Kultur“. Zweitens verdiene die „Förderung kultureller Innovationen“ nebst der „innovativen Künstler“ besondere Aufmerksamkeit – Kultursenator Harmut Perschau (CDU) will die „Arbeitsbedingungen der Kreativen“ zum Beispiel durch die „Künstler-Einzelförderung“ und die „Vergabe von Stipendien“ pushen. Drittens solle es in Zukunft um „Grenzüberschreitungen“ gehen, um die „Kooperation zwischen Einrichtungen verschiedener künstlerischer Sparten.
So etwas wie ein „Masterplan“, das muss man aus der Senatsantwort schließen, liegt weiterhin nicht vor. Bleibt zu befürchten, dass man sich bei allem Ideenmangel letztendlich nur noch dadurch zu helfen weiß, bei Etatfragen schlicht den Rasenmäher anzuschmeißen. Auf dass aus der Kulturbehörde überhaupt etwas zu hören ist.
Klaus Irler