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Sozialamt prüft nur nach Bedarf

Der Senat hat die Überprüfung von Sozialhilfeempfängern landeseinheitlich geregelt. Aus dem ursprünglichen Entwurf sind die umstrittensten Regelungen verschwunden: Hausbesuche gibt es nur bei begründetem Verdacht, nicht generell

Manchmal ist es ein weiter Weg vom Entwurf bis zum endgültigen Ergebnis: Vor einem knappen Jahr hatte ein Richtlinienentwurf für die Prüfung von Sozialhilfeempfängern für Aufregung gesorgt. Denn er sah vor, jeden Sozialhilfeempfänger „mindestens einmal jährlich“ zu kontrollieren – generell und ohne einen konkreten Missbrauchsverdacht.

Gestern wurden nun die „Verwaltungsvorschriften Prüfdienst Sozialhilfe“ vom Senat erlassen und regeln erstmals landeseinheitlich, welcher Sozialhilfeempfänger wann und wie geprüft werden darf. Bisher hatte jeder Bezirk eigene Regeln.

Auf die automatische Überprüfung aller Empfänger ein oder mehrmals im Jahr wurde verzichtet. Besuch von den Angestellten des Sozialamts erhält nur, wer teure Einrichtungs- und Bedarfsgegenstände beantragt, Leistungen für Renovierungsarbeiten will oder wiederholt die gleichen Anträge stellt. Die zuständige Stelle muss dafür einen Prüfauftrag vergeben. Auch wenn Anhaltspunkte für einen Missbrauch vorliegen, tritt ein Prüfer in Aktion.

„Entscheidend ist, dass damit die extreme Verschärfung der Kontrollen aus der Richtlinie verschwunden ist“, sagte Martina Schmiedhofer (Grüne), Sozialstadträtin von Charlottenburg-Wilmersdorf, der taz. Sie hatte Anfang des Jahres die geplante Regelung als „absurd“ kritisiert. Insgesamt hält sie eine für ganz Berlin gültige Regelung für sinnvoll, die für einheitliche Standards, Transparenz und Vergleichbarkeit sorgen soll.

Anders als von Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) angekündigt wird die neue Regelung keinen deutlichen Anstieg der Prüfer mit sich bringen. Denn die Richtlinie bestimmt, dass auf 1.500 Sozialhilfeempfänger ein Prüfer kommt. „Damit bleibt es bei den vier bis zwölf Prüfern, die es auch bislang pro Bezirk gibt“, heißt es aus der Senatsverwaltung für Soziales. „In der Praxis wird der Entwurf deshalb wenig Wirkung haben“, ist auch Schmiedhofer überzeugt. Zusätzliche Prüfer, so es sie denn geben wird, sollen aus dem Stellenpool des Landes rekrutiert werden. Jedoch müssen sie sich freiwillig melden und sich in der Sozialgesetzgebung auskennen.

Die Prüfer dürfen sowohl angekündigt als auch unangekündigt klingeln – wenn sie sich ausreichend ausweisen können. Allerdings verfügen sie nicht über die so genannten Hoheitsrechte der Polizei. Wer die Prüfer nicht in die Wohnung lässt, riskiert zwar Ärger mit dem Sozialamt, aber der Besuch kann nicht erzwungen werden. Dabei muss der Besuch der Sozialamtsprüfer nicht immer negative Folgen haben. Denn sie registrieren bei ihren Besuchen auch den Bedarf, den der Empfänger gar nicht angemeldet hat. So verhelfen sie den Hilfebeziehern manchmal gar zu zusätzlichen Leistungen.

SUSANNE AMANN

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