: Schlauch für die Schlitten
Während die Athleten überdachten Eisbahnen für Bob- und Rodelrennen aufgeschlossen gegenüberstehen, sträuben sich die zuständigen Verbände vehement gegen derartige Neuerungen
VON JOACHIM MÖLTER
In dieser Jahreszeit sind die Menschen für gewöhnlich froh, ein Dach über dem Kopf zu haben, Josef Fendt aus Berchtesgaden ist es nicht: „Ich wehre mich mit Händen und Füßen dagegen“, sagt der Präsident des Internationalen Rennrodel-Verbandes FIL. Und weil sein Kollege vom Bob- Weltverband FIBT, der Kanadier Robert Storey, das genauso sieht, müssen auch Zuschauer und Aktive beim Bob und Rennrodeln obdachlos bleiben. „Schließlich sind wir Freiluftsportarten“, sagt Fendt, allen anderen Bemühungen zum Trotz.
In Winterberg, wo am Wochenende eine Weltcup-Veranstaltung im Bob und nächsten Monat eine im Rennrodeln stattfindet, hat der Widerstand der Funktionäre dazu geführt, dass der Dachausbau über der Rennstrecke moderater ausfallen wird als geplant. „Das Vorhandene wird optimiert“, sagt Andreas Schäfer, der zuständige Mann im Winterberger Sportzentrum: Nächsten Sommer werden die Dächer in den Kurven etwas verlängert; auf der 1.600 Meter langen Kunsteisbahn betrifft das nur 200 Meter. „Das wird nicht so wie in Lillehammer“, versichert Schäfer.
Im Olympia-Ort von 1994 hatte Josef Fendt zuletzt die Bahn vor lauter Dachstützen nicht mehr gesehen und sofort sein Veto eingelegt: Nächsten Sommer muss einiges wieder abgebaut werden, sonst vergibt der Verband keine Rennen mehr dorthin. In der Olympiastadt Salt Lake City hat man sich gleich für eine mobile, zeltartige Lösung entschieden, die je nach Wetter installiert werden kann. Für die Olympischen Winterspiele 2006 in Turin aber war ein Festdach über der ganzen Eisrinne vorgesehen; das haben die Funktionäre gerade verhindert. Klaus Kotter, der Präsident des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland (BSD), regt sich immer noch auf über das Vorhaben: „Da sehen die Zuschauer auf der Tribüne doch gar nichts mehr. Da können wir gleich einen Schlauch machen, oben einen reinschießen und unten kommt er wieder raus.“
Nun gibt es aber tatsächlich gute Gründe, die Bahnen zumindest teilweise zu überdachen. „Es ist irrsinnig aufwändig, sie zu präparieren und dann instand zu halten“, erklärt BSD-Geschäftsführer Stefan Krauß; dieser Aufwand wird da minimiert, wo Regen und Schnee abgehalten werden. In den Kurven kann der Niederschlag sogar zum Sicherheitsrisiko werden: Von den überhöhten Wänden fallen die Wassertropfen in die Eisrinne, frieren fest und sorgen für Unebenheiten, die einen Fahrer aus der Bahn werfen können. „In den Kurven macht es Sinn“, sagt Krauß, „aber die Geraden zu überdachen, muss nicht sein.“
Warum nicht, fragt Olympiasieger Christoph Langen aus Unterhaching: „Ich denke, es wäre gut, wenn Bob ein Hallensport wird.“ Auch dem Rodel-Olympiasieger Georg Hackl aus Berchtesgaden gefällt die Idee: „Wenn es großzügig genug gemacht wird und alles drunter passt, wäre das toll.“ Klar, dass die Athleten zur Komplett-Überdachung tendieren, sagt Stefan Krauß: „Die wollen immer optimale Bedingungen.“ Und wenn sie von Wind und Wetter geschützt sind, haben sie zumindest immer gleichbleibende.
„Keine Skipiste ist immer gleich“, hält Josef Fendt dem entgegen, aber viel mehr stört ihn anderes: „Man kriegt keine schönen Fernsehbilder mehr, wenn dauernd die tragenden Masten im Bild sind.“ Außer man installiert mehr Kameras, was wiederum die Produktionskosten erhöht. Insofern hat Georg Hackl sicher Recht, wenn er über Fendts Argumentation sagt: „Der hat nur Angst, dass es ihm die Kosten sprengt.“
Schon der Anbau in Winterberg kostet ja eine sechsstellige Summe, „und wenn ein Architekt plant wie in Turin, wird’s richtig teuer“, weiß Fendt. Insgeheim fürchten er und seine Bob-Kollegen deshalb wohl vor allem den Bann des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Das ist ja bescheiden geworden, unlängst hat IOC-Chef Jacques Rogge aus Belgien schon einige Vertreter von Sommersportarten zum Rapport gebeten: Anlagen, die zu viel kosten und später zu wenig genutzt werden, sieht er nicht gern; die dazugehörigen Sportarten müssen fürchten, irgendwann aus dem olympischen Programm gestrichen zu werden. Da wird die Haltung der Bob- und Rodel-Verbände zum Thema Überdachung verständlich. „Wir stellen diese Forderung nicht“, bekräftigt Josef Fendt. Aber er ahnt, „dass wir diese Entwicklung nicht ganz verhindern können“. Ohne Zuschauer gibt es ja auch keine schönen Fernsehbilder, und wer steht schon gern stundenlang schutzlos im Schneeregen?