: Der die Bilder glücklich macht
Gary Hume war in den 1990ern einer der Shooting-Stars der Londoner Young British Artists-Generation. Die Kestnergesellschaft Hannover widmet ihm eine erste große Einzelausstellung in Deutschland. Ihr Titel: karneval
Während draußen vor der Tür in der Georgstraße mit einzelnen Buden schon der erste weihnachtsmarktliche Volksrummel entsteht, bietet die Kestnergesellschaft Hannover ihren ganz eigenen „karneval“ – natürlich ohne Glühwein und Schunkelmentalität. In Sachen Verkleidungszirkus sind die AusstellungsmacherInnen dem herkömmlichen Volksrummel aber weit voraus. Künstler Gary Hume, bekannt geworden durch seine „Doors“-Serie in der von Damien Hirst organisierten Absolventen-Ausstellung „Freeze II“ 1988 in den Londoner Surrey Docks, entpuppt sich als äußerst witziger Zeitgenosse, der in wohldosierten Büttenreden Auskunft über Motivwahl und Arbeitsweise gibt, obwohl er das eigentlich ungern tut. Lieber vertraut er auf die Ehrlichkeit der Bilder und der Farben. Und darauf, wie sie mit Betrachter und Raum korrespondieren.
Seit dem Studium am renommierten Goldsmith’s College in London malt Hume mit gewöhnlichen Lackfarben auf Aluminiumplatten, weil für seine Darstellungsbedürfnisse und den Umgang mit Lackfarbe die herkömmliche Leinwand nicht mehr geeignet schien. Mit besonderen Anforderungen an die Technik: Damit die Farbe hält, muss der Untergrund aufgeraut werden, und weil Hume sie auf der Metallplatte nicht mischen kann, müssen Farben in mehreren Schichten fixiert und „modelliert“ werden, so dass statt von Bildern schon fast von Skulpturen die Rede sein kann. Beim Entwurf eines Motivs mehr von einer Perspektive als einer subjektiven Gegenständlichkeit ausgehend macht er aus kalten Metallplatten warme, assoziationsreiche Spiegel mit tausenden von kunstgeschichtlichen Bezügen: Minimalismus, concept art, abstrakter Expressionismus, nouveau réalisme – irgendwie alles da. Deutlich wird das etwa bei „the generals“, das eigentlich nur einen General im Porträt zeigt, aber je nach Betrachtungsweise und Lichteinfall mit der Zeit auch die anderen Generäle in Übermalungen und Farbschichtungen offenbart. „Die Oberfläche ist alles, was Sie von mir kriegen“, sagt Hume bescheiden und bezeichnet sich als „Maler ohne Ideen“. Aber das ist reine Tiefstapelei.
„Manchmal brauch’ ich Ewigkeiten, um sie glücklich zu machen“, sagt Hume. Mit „sie“ sind die Bilder gemeint. Diese Ausdrucksweise verrät mehr als alle einzelnen Bilderklärungen: Sie zeugt von einem liebevollen, sehr persönlichen Bezug des Malers zu seinen Bildern, wenn das Glück dieser ihm wichtiger ist als das eigene. Und sie impliziert, dass es eigentlich keine ungelungenen Bilder gibt, nur solche, die eben länger brauchen.
Ein Hume-Werk kommt im Entstehungsprozess ohne Licht aus, dafür ist das Licht in der Ausstellung genauso wie die Perspektive des Betrachters äußerst wichtig: Erst Spiegelungen, Reflexionen und individuelle Blickwinkel vollenden das Bild, machen es „individuell schön“, wie Hume es ausdrückt. Denn schön soll Kunst sein, ohne dass er natürlich erklären könnte, was Schönheit in der Kunst für ihn bedeutet.
Humes Ehrlichkeit beeindruckte auch Kestner-Direktor Veit Görner, der den 42-jährigen Künstler bereits 1996 in der von ihm kuratierten Gruppenausstellung „Full House“ in Wolfsburg zeigte. „Hume kommt, im Gegensatz zu vielen seiner englischen KollegInnen, ohne Trash-Form aus“, sagt Görner, „er ist eigentlich ein klassischer Maler.“
Kuratorin Anne Prenzler nennt Humes Malerei eine „poetische Bilderfindung“, eben weil der Gegenstand so oft in der Schwebe ist. In der Schwebe war daher anfangs auch das Ausstellungskonzept. Die fast 50 Werke mussten auf drei Räume verteilt werden. „Wir haben einfach ausprobiert, was zusammenpasst und wie man was hängen kann, das Konzept“, so Prenzler. Wahllos hätte das wirken können, wenn seine Offenheit nicht der Offenheit der Bilder so vollkommen entspräche.
Kerstin Fritzsche
Di-So 10-19, Do bis 21 Uhr, Kestnergesellschaft Hannover; bis 23.01.05.