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Archiv-Artikel

AIDS ist nicht zu stoppen

Schlechte Nachricht zum Welt-AIDS-Tag: Hamburger Experten warnen vor gravierender Zunahme von HIV-Neuinfektionen. Aber die Lebenserwartung bei HIV-Erkrankten steigt und Kinder infizierter Mütter müssen sich nicht mehr anstecken

Von Marco Carini

HIV und AIDS sind wieder auf dem Vormarsch – auch in Hamburg. So lautet die unfrohe Botschaft zum morgigen Welt-AIDS-Tag. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts hat sich die Zahl der bekannt gewordenen HIV-Neuinfektionen in Hamburg zwischen 2001 und 2003 mehr als verdoppelt – von rund 80 auf knapp 180. Vor allem infizierten sich „immer mehr junge Menschen“ mit dem Virus.

Fünf Gründe führt Andreas Plettenberg, Leiter des ifi-Institutes für interdisziplinäre Infektiologie und Immunologie am AK St. Georg dafür an: Rückläufige Aufklärungsmaßnahmen hätten die tödlich verlaufende Infektion aus dem öffentlichen Blickwinkel gerückt, was dazu führe, dass immer weniger Safer Sex praktiziert werde. Die verbesserten Therapiemöglichkeiten und die daraus folgende erhöhte Lebenserwartung der Infizierten würden dazu führen, dass AIDS immer mehr als „behandelbare Krankheit“ angesehen werde.

Zudem seien die HIV-Raten in den benachbarten osteuropäischen Ländern in die Höhe geschnellt und sexuell übertragbare Krankheiten allgemein auf dem Vormarsch. Durch sie aber steige das Risiko der Übertragung einer HIV-Infektion deutlich an. Besonders die Rückkehr der schon fast ausgerotteten Syphilis und der ungebremste Anstieg von Clamydien-Infektionen, der häufigsten sexuell übertragbaren Krankheit, seien hierbei die wichtigsten Wegbereiter für den AIDS-Anstieg.

Einzige positive Nachricht: Die verbesserten Therapie-Möglichkeiten führen zu einer deutlich verlängerten Lebenserwartung der HIV-Patienten. Immer mehr Infizierte sterben deshalb nicht mehr an AIDS, sondern an Folge- und Begleitkrankheiten: So nimmt durch die Therapie das Herzinfarktrisiko deutlich zu, haben Träger des HIV-Virus aufgrund ihres geschwächten Immunsystems ein etwa vierfach erhöhtes Risiko an Krebs zu erkranken.

Insgesamt aber nehmen die schweren Nebenwirkungen der Virus-Therapie aufgrund der Forschungsbemühungen immer weiter ab. Auch dass die Therapeutika bald nicht mehr gespritzt, sondern als Tabletten eingenommen werden können, sei bereits in Reichweite.

Ein Viertel der Neuinfizierten sind dabei Frauen. Etwa die Hälfte davon sind Migrantinnen, vor allem aus dem Raum des südlichen Afrikas, der nach wie vor die weltweit höchste HIV-Quote aufweist. Gerade sie aber würden durch gängige Präventionsmaßnahmen kaum erfasst. Eine positive Entwicklung gibt es bei den Kindern positiv getesteter Frauen: Die Gefahr, dass sich das Baby einer infizierten Frau während der Schwangerschaft und der Geburt bei der Mutter ansteckt, liegt bei professioneller Betreuung bei unter zwei Prozent.

In Hamburg wurde seit drei Jahren kein HIV-infiziertes Kind mehr geboren. In fast allen Fällen, in denen bundesweit ein Baby mit dem Virus auf die Welt kam, war die Erkrankung der Mutter vorher nicht entdeckt worden, so dass die notwendigen Vorsorgemaßnahmen unterblieben. Die ifi-Experten fordern deshalb jede Schwangere auf, sich vorsorglich einem AIDS-Test zu unterziehen. Bei entsprechender medizinischer Geburtsbegleitung müsse dann die Schwangerschaft trotz Infektion kein Tabu mehr bleiben.