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Archiv-Artikel

Sozialgericht gibt Arbeitslosen Stütze

Richter wirft Gesetzgeber handwerklichen Pfusch bei Hartz-Reformen vor. Die genannten Meldefristen seien unpräziseund würden zu Ungunsten der Betroffenen ausgelegt. In drei Urteilen wird Joblosen mehr Arbeitslosengeld zugesprochen

VON TORBEN IBS

Heftige Kritik von zuständigen Richtern müssen sich Bundesregierung und Opposition wegen der von ihnen beschlossenen Hartz-Arbeitsmarktreformen gefallen lassen. Der Gesetzgeber habe in vielen Fällen „handwerklich gepfuscht“ und so verfassungsrechtliche Probleme provoziert, sagte gestern Gunter Rudnik, Vorsitzender der 77. Kammer am Berliner Sozialgericht. Die in den Gesetzestexten genannten Fristen seine häufig unklar und würden nun von der Bundesagentur für Arbeit zu Lasten der Betroffenen ausgelegt.

Zuvor hatte das Sozialgericht in drei exemplarischen Fällen Arbeitslosen und Noch-Arbeitenden den Rücken gestärkt (siehe Kästen). Die Betroffenen hatten sich nach Ansicht der Bundesagentur für Arbeit nicht rechtzeitig als arbeitssuchend gemeldet und deshalb Abschläge auf ihr Arbeitslosengeld hinnehmen müssen. Diesen Kürzungen widersprach das Gericht.

Die Abschläge liegen, je nach vorherigem Bruttoeinkommen, bei 7, 35 oder 50 Euro pro Tag, den man sich zu spät gemeldet hat, wobei ein Maximum von 30 Straftagen verhängt werden kann. Diese Regelung ist zwar rechtlich nicht zu beanstanden, aber in der praktischen Ausübung hapert es oft.

Das Sozialgericht, an dem noch mehrere hundert Verfahren dieser Art anhängig sind, hat nun die Anforderungen an die Arbeitnehmer sehr weit ausgelegt. Nur wenn die Betroffenen grob fahrlässig handeln, so der Tenor der Urteile, sind solche finanziellen Sanktionen hinnehmbar. Ansonsten stellen sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Eigentumsrechte dar, da die Versicherungsbeiträge in die Sozialkassen vor allen Dingen den Versicherten gehören.

Richter Rudnik betonte, dass hier „grundsätzliche Fragen“ behandelt würden. Daher vereinbarten die Parteien auch in allen drei Fällen die so genannte Sprungrevison vor das Bundessozialgericht oder direkt vor das Bundesverfassungsgericht. Rudnik kritisierte zudem das Stufenmodell der Abschläge, das die Einkommensgruppen sehr unterschiedlich belastet. Besonders die mittlere Schicht werde überproportional zur Kasse gebeten.

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