: Au-pairs – ein Siegel gegen Ausbeutung
Ein Selbstmord brachte die deutsche Au-pair-Branche in Verruf. Jetzt einigten sich rund 100 Agenturen auf ein Gütezeichen. Au-pairs dürfen nur sechs Stunden täglich arbeiten. Vizechefin des Vereins will Zulassung allein für gemeinnützige Anbieter
AUS BERLIN JOCHEN SETZER
Für Ramona aus Rumänien endete die Au-pair-Zeit im fränkischen Herrieden tödlich. Für 40 Cent pro Stunde musste die 21-Jährige kochen, putzen und die vier Kinder ihrer Gastfamilie versorgen – von 6 bis 23 Uhr, oft sieben Tage die Woche. Ihre Gastmutter soll sie mehrfach geschlagen haben. Kurz vor Weihnachten 2002 erhängte sich Ramona im Keller ihrer Peiniger.
Dieser Extremfall und andere bekannt gewordene Missbrauchsfälle haben in Deutschland, aber auch im Ausland für Bestürzung gesorgt. Die Au-pair-Organisationen sind nun um ihr Image besorgt. „Deutsche Vermittler haben im Ausland keinen guten Ruf mehr“, sagte Sandra Leidemer von der Au-pair-Society, die die privaten Anbieter vertritt. „Das wollten wir ändern.“
Über hundert Au-pair-Agenturen haben sich jetzt zu einheitlichen Qualitätsstandards verpflichtet. Sie schlossen eine Vereinbarung, die Mindestanforderungen an Vermittlung, Vorbereitung und die Betreuung von Au-pairs in Deutschland festschreibt. Demnach sind nur leichte Hausarbeit und Kinderbetreuung zulässig. Ein Au-pair darf lediglich sechs Stunden am Tag und dreißig Stunden pro Woche arbeiten. Das Taschengeld wird ab 2005 von 205 auf 260 Euro erhöht. Außerdem muss die Familie ein eigenes Zimmer zur Verfügung stellen. Um in Notfällen schnell helfen zu können, soll eine 24-Stunden-Hotline für Au-pairs eingerichtet werden. Die neu gegründete Gütegemeinschaft Au-pair e. V. soll ab Sommer 2005 Gütezeichen an Vermittler vergeben, die diese Standards erfüllen.
Die Unübersichtlichkeit auf dem Markt der Au-pair-Agenturen kam durch ein veränderte Rechtslage bei der privaten Arbeitsvermittlung zustande. Seit März 2002 können Gewerbetreibende und Gastfamilien auch ohne Lizenz Au-pairs anwerben und vermitteln. „Das öffnete den Markt auch für schwarze Schafe“, erklärt Leidemer. Nachdem immer mehr Fälle von illegaler Beschäftigung und Ausbeutung bekannt geworden waren, hatte sich der Bundestag für diese Selbstverpflichtung der Au-pair-Vermittler ausgesprochen. Die Situation für Au-pairs in Deutschland werde sich mit der Initiative nicht schlagartig ändern, sagte die stellvertretende Vorsitzende Barbara Schmidle. „Wir schaffen aber mehr Transparenz bei den Vermittlern.“
Jedes Jahr kommen etwa 30.000 junge Menschen für maximal zwölf Monate als Au-pairs nach Deutschland. Neun von zehn sind Frauen. Für Interessierte im Ausland wird es nun einfacher, unter den rund 1.500 Anbietern in Deutschland einen seriösen Vermittler zu finden – vorausgesetzt, sie kennen die Gütegemeinschaft. „Das Bundesfamilienministerium hat zugesagt, unsere Gemeinschaft in Botschaften und Konsulaten bekannt zu machen“, so Schmidle. „Darauf setzen wir.“
Ein Parallelmarkt, in dem sich auch weiterhin unseriöse Anbieter tummeln, könne dadurch jedoch nicht verhindert werden. Schmidle appelliert deshalb an die Bundesregierung „die Au-pair-Vermittlung nur für Anbieter, die sich zu Mindeststandards verpflichten und zertifiziert sind, zuzulassen“. Am liebsten wäre es Schmidle, die hauptamtlich in der katholischen Mädchenarbeit der Caritas tätig ist, wenn für die Au-pair-Vermittlung die gleichen Standards wie beim freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) gelten würden. „Hier sind nur Träger der Jugendhilfe zugelassen,“ sagt Schmidle – also Organisationen, die gemeinnützige Ziele verfolgen. Diese Einschränkung aber wird sie kaum durchzusetzen können, denn das wäre das Aus für die kommerziellen Vermittler. Und die sind schließlich auch in der Gütegemeinschaft Au-pair aktiv.