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Archiv-Artikel

Machtkampf in nächster Instanz

Oberstes Gericht in der Ukraine berät über Annullierung der Wahl. Amtierender Präsident Leonid Kutschma jetzt für Neuwahlen. Opposition fordert Entlassung von Regierungschef Janukowitsch

Von BO

KIEW afp/ap ■ Der Konflikt um die Präsidentenwahl in der Ukraine wird seit gestern auch vor dem Obersten Gerichtshof ausgetragen: Begleitet von Demonstrationen beider Lager beriet das Gericht über die Vorwürfe der Opposition, bei der Stichwahl am 21. November habe es massiven Wahlbetrug gegeben. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes wird frühestens heute erwartet.

Der scheidende Präsident Leonid Kutschma gab gestern überraschend dem Druck der Straße nach und sprach sich für Neuwahlen aus. „Wenn wir wirklich Frieden und Verständigung wollen, dann lasst uns Neuwahlen abhalten“, sagte er in Kiew. Zuvor hatte die Opposition Kutschma aufgefordert, Regierungschef Janukowitsch zu entlassen sowie die „separatistischen Gouverneure“ der Regionen Donezk, Luhansk und Charkiw ihres Amtes zu entheben. Verteidigungsminister Alexander Kusmuk drohte, die Armee sei bereit, die territoriale Integrität notfalls mit Waffengewalt zu verteidigen.

Janukowitsch erklärte laut Interfax, dass er nicht freiwillig zurücktreten werde, sondern eine Entscheidung Kutschmas abwarten wolle. Zuvor hatte sich der Regierungschef zu Neuwahlen in zwei Regionen im Osten des Landes bereit erklärt, sollte der Oberste Gerichtshof die Entscheidung treffen, dass in den Regionen Donezk und Luhansk neu gewählt werden müsse.

Unterdessen schlug sich Janukowitschs Wahlkampfleiter, Zentralbankchef Serhi Tihipko, auf die Seite der Opposition und forderte eine Wahlwiederholung. Zudem gab er seinen Rücktritt bekannt. Scharf kritisierte Tihipko die Drohungen der prorussischen Regionen im Osten und Südosten der Ukraine, bei einem Machtwechsel in Kiew eine größere Autonomie anzustreben.

Auch die EU und die Nato warnten vor einer Spaltung des Landes. Die Einheit der Ukraine sei „wesentlich“, sagte der EU-Außenbeauftragte Javier Solana. BO

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