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Basslast gegen Verständnisschwierigkeiten: Dizzee Rascal zeigte in der Berliner Maria, warum der neue Londoner Stil-Hybrid Grime so toll ist

Grime, das ist das musikalische Buzz-Wort dieses Jahres. Nichts klingt so aufregend wie dieser neueste Stil-Hybrid aus dem Londoner East End, der HipHop, Dancehall-artige Riddims und fünfzehn Jahre britische Rave-Erfahrung zu einem basslastigen Gemisch verschmilzt, das jedem Subwoofer-Besitzer Freudentränen in die Augen treibt. Mit Dizzee Rascal hat die noch junge Szene ein ebenso junges Aushängeschild, das im letzten Jahr mit seinem Debütalbum „Boy in da Corner“ den Mercury Award gewann und damit endgültig auch hierzulande neugieriges Interesse jenseits gut informierter Hipsterkreise weckte.

Während klassischer britischer HipHop auch in seinem Heimatland seit Jahren ein eher tristes Nischendasein jenseits größerer Aufmerksamkeit fristet, vereinte Grime die musikalischen Primärtugenden, die in den letzten zwanzig Jahren den Sound der englischen Jugend- und Clubkultur geprägt haben, zu einem eigenständigen Stil-Cocktail, der jetzt antritt, auch auf dem europäischen Festland und im Mutterland des Rap UK-HipHop einen frischen, eigenen Anstrich zu geben. Im Sommer hatten sich zumindest die Berliner bei Grime-Einführungsveranstaltungen schon einmal die MCs aus der zweiten Reihe anschauen können, am vergangenen Montag gab sich nun Dizzee Rascal selbst die Ehre.

Als er um kurz nach halb elf mit seinem DJ und einem MC-Kumpel die Bühne der ausverkauften Maria am Ufer betrat, um sein Berlin-Debüt zu absolvieren, waren schon die ersten vorfreudigen „Dizzee Rascal“-Sprechchöre bis an die Bühne geschwappt, was dem Twen aus London offensichtlich gut gefiel. Mit einem breiten Grinsen machten er und sein Backup-MC es sich erst mal sitzend auf der Bühne bequem und ließen sich von der Menge feiern, während die ersten Basswellen die Maria erschütterten.

Dass die beiden aber nicht gekommen waren, um einen gemütlich abgehangenen Abend zu begehen, war zu diesem Zeitpunkt schon allen klar. Von den wüsten Basslines seiner Tracks, die der DJ von Platte spielte, angetrieben, stellte Dizzee nach dem zweiten Track grundsätzlich fest, dass es bei Grime darum gehe, sich gehen zu lassen. „Bounce Baby, bounce!“ Das Publikum ließ sich da nicht lange bitten, bedachte jedes neue Stück mit weiteren euphorischen Jauchzern und hüpfendem Körpereinsatz und überraschte die beiden Jungs aus London mit ausgeprägten Textkenntnissen, die diese dann wiederum für einige animierende, HipHop-typische Call-and-Response-Spielchen nutzten. Während die schwer zu beschaffenden Platten aus den Londoner Kellerstudios der Grime-Szene nur teilweise verständlich machen, wie druckvoll und mitreißend dieses neue Kind britischer Clubkultur ist, blasen einem Auftritte wie der von Dizzee Rascal jegliche Verständnisschwierigkeiten aus dem Kopf.

SVEN VON THÜLEN