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Archiv-Artikel

Neuss steigert die PS-Zahl

Auf der Galopprennbahn Neuss sollen ab dem Jahr 2005 Tourenwagen um die Wette fahren. Der Landrat hofft auf neue Arbeitsplätze und ein gesteigertes Renommee – zahlen sollen andere

VON KLAUS JANSEN

Die Neusser Innenstadt soll zum Monte Carlo Nordrhein-Westfalens werden. Geht es nach dem Landrat des Rheinkreises Neuss, Dieter Patt (CDU) und nach dem Deutschen Motorsportbund, soll bis Ende 2005 auf dem Gelände der Galopprennbahn eine Motorsportrennstrecke mit 75. 000 überdachten Sitzplätzen entstehen. Die Initiatoren hoffen, dass neben Tourenwagen, Kart- und Fahrradrennen auch Konzerte und Skisprungwettkämpfe auf der Anlage ausgetragen werden können. Galopprennen sollen ebenfalls weiter möglich sein. Die rund 50 Millionen Euro Investitionskosten will die Firma „European Event“ übernehmen. Stadt und Kreis Neuss sollen für das Spektakel angeblich keinen Euro zahlen müssen.

Dieter Patt versuchte sich bei der Präsentation des Projektes direkt als PR-Agent für den Deutschen Motorsport: „Spektakuläre Action und High-Tech“ werde der Motorsport nach Neuss bringen, sagte er. Bei der Vorstellung befand er sich zwischen eigens im Neusser Kreishaus aufgestellten Reifenstapeln und einem rennfertig lackierten Porsche. An einem Rennwochenende könne man locker mit 200.000 Zuschauern rechnen. Eine internationale Liveübertragung der Deutschen Tourenwagen Meisterschaft (DTM) zöge eine Milliarde Blickkontakte auf die Stadt Neuss - dies sei für große Sponsoren Anreiz, zu investieren und für den Neusser Mittelstand eine Chance, sich der Welt zu präsentieren, sagte Patt.

Insgesamt sollen durch die Rennstrecke 70 feste und fast 4000 temporäre neue Arbeitsplätze an den Rennwochenenden entstehen. „Mit dem „Motodrom“ kann Neuss zu einem festen Begriff in Europa werden - wie die Motorsportstädte Spa, Monza oder Minneapolis“, sagte Patt. Die geplante Anlage sei einzigartig, da man die in der Galopprennbahn angelegte Strecke von der Tribüne komplett überblicken könne.

Die Motorsportbegeisterung in Neuss fällt in eine Zeit, in der das PS-Fieber in Deutschland langsam nachlässt. Michael Schumachers Siegesserie zum Trotz sind die Zuschauerzahlen der Formel 1 im vergangenen Jahr deutlich gesunken. Die schon bestehenden deutschen Rennstrecken kämpfen erbittert um die wenigen verbliebenen hochkarätigen Veranstaltungen. Auch der fast 300 Millionen Euro teure Lausitzring musste Insolvenz anmelden. „So viel Geld wird hier nicht verbuddelt“, glaubt Christian Schacht, Geschäftsführer des Deutschen Motorsportbundes.

Auch Joachim Güllüg vom Investor „European Events“, nebenbei ist der gute Mann Vizepräsident des Deutschen Turner Bundes und Mitglied des Nationalen Olympischen Komitees, sieht glänzende Perspektiven. „Neuss als Ballungsraum mit den Nachbarn Köln und Düsseldorf bietet ganz andere Voraussetzungen als der Lausitz- oder Norisring“, sagt er. Man stehe in Verhandlungen mit Großsponsoren, eventuell könne man auch andere Nutzer des neuen Geländes an den Investitionskosten beteiligen. Auf Nachfrage konnte er dann allerdings noch keinen willigen Sponsor nennen.

Bis zum 31. Januar muss Güllüg nun seine Pläne konkretisieren. Dann entscheidet der Rat der Stadt Neuss darüber, wer den Zuschlag für die Weiterentwicklung der unrentablen Galopprennbahn erhält.

Widerstand regt sich bei den Grünen: Der Fraktionsvorsitzende Michael Klinkicht lehnt die Pläne ab. Lärmend und umweltschädlich sei ein „Motodrom“. „Man bringt eine Stadt nicht mit Events à la Monte Carlo voran“, sagt er. Zudem befürchtet er, dass entgegen der Ankündigungen doch erhebliche Kosten auf die Stadt zukämen.

Investor Joachim Güllüg ist sich seiner Sache sicher. „Wir haben schon viel abgesteckt“, sagt er leicht vernebelt. Wenn die CDU-Mehrheitsfraktion im Neusser Stadtrat nur annähernd so motorsportbegeistert ist wie ihr Landrat, hat dieser den Ratsentscheid nicht zu fürchten.