: Kein Schloss für Prinz Ernst August
Das Bundesverfassungsgericht wies die Klagen zweier Adeliger ab. Sie erhalten ihre ostdeutschen Ländereien nicht zurück, die die Sowjets nach 1945 enteignet hatten. Auch Alteigentümer müssen die Kriegsfolgen mittragen, urteilten die Richter
AUS KARLSRUHE CHRISTIAN RATH
Weil die Deutschen eine „Schicksalsgemeinschaft“ seien, müssen enteignete Ländereien in Ostdeutschland nicht zurückgegeben werden. Mit dieser Begründung wies gestern das Bundesverfassungsgericht zwei Beschwerden von ostdeutschen „Alteigentümern“ ab.
Geklagt hatte unter anderem Ernst-August von Hannover, Ehemann der Prinzessin Caroline von Monaco. Seine Familie hatte bei den sowjetischen Enteignungen in den Jahren 1945 bis 1949 Ländereien und Schlösser im heutigen Wert von mehr als 100 Millionen Euro verloren. Unter der Devise „Junkerland in Bauernhand“ haben die Sowjets in ihrer Besatzungszone alle Immobilien von mehr als 100 Hektar Größe enteignet.
Der deutsch-deutsche Einigungsvertrag von 1990 sah auf Druck der Sowjetunion und der letzten DDR-Regierung vor, dass diese Bodenreform, die immerhin ein Drittel der DDR-Fläche betrifft, nicht rückgängig gemacht wird. Die so genannten Alteigentümer erhielten statt dessen relativ geringe Entschädigungen.
Schon 1991 und 1996 hat Karlsruhe Verfassungsbeschwerden gegen das Rückgabeverbot zurückgewiesen. Doch die Alteigentümer griffen auf immer neuen juristischen Wegen an. Diesmal argumentierten sie mit den „allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts“. Deutschland dürfe sich nicht an sowjetischen Völkerrechtsverstößen bereichern, erklärte der Heidelberger Völkerrechtler Theodor Schweisfurth. Zumindest die Ländereien, die heute in Staatsbesitz sind, müssten zurückgegeben werden.
Um keinen diplomatischen Ärger zu verursachen, ließen die Verfassungsrichter offen, ob die Sowjet-Enteignungen tatsächlich gegen das Völkerrecht verstießen. So oder so müsse die Bundesrepublik aber den Geschädigten nicht alles zurückgeben, was ihnen damals genommen wurde.
Es gebe keinen Grund, warum gerade die Enteignung von Immobilien in vollem Umfang rückgängig gemacht werden solle – angesichts der sonstigen menschlichen Opfer und Folgen von „Zweitem Weltkrieg, Besatzungsherrschaft und Nachkriegsdiktatur“, die die Deutschen als „Schicksalsgemeinschaft“ tragen müssten. Auch individuelle Unrechtserfahrung müsse in bestimmtem Maß ertragen werden, ohne dass in jedem Fall angemessener Ausgleich zu erlangen wäre, erklären die Richter in bisher unbekannter Deutlichkeit. Offensichtlich wollte Karlsruhe den Klägern signalisieren, dass sie nicht ständig neue Verfassungsbeschwerden einreichen sollen.
Damit ist der juristische Streit um die Bodenreform aber immer noch nicht abgeschlossen. Auf Klage der Alteigentümer wird der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Frühjahr entscheiden, ob die nach der Wiedervereinigung festgesetzten Entschädigungen hoch genug sind. Geprüft wird das deutsche Entschädigungsgesetz von 1994. Das Bundesverfassungsgericht hatte dieses Gesetz im Jahr 2000 in einer knappen Entscheidung akzeptiert.