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Archiv-Artikel

Die taz steht unter Solarstrom

taz kooperiert mit NaturEnergie und BUND und bekommt ein Solardach

„Am 19. Dezember ist Einweihung“, erklärt Andreas Bull, Geschäftsführer der taz. Er hat die Sache angeleiert: Solarzellen über den Köpfen der Redakteurinnen und Redakteure in der Berliner Kochstraße.

Die Geschichte beginnt mit Annette Nawrath, seit Jahren im Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) engagiert. Nawrath bezieht Ökostrom. Der ist zwar teurer als gewöhnlicher Strom, „aber das ist es mir wert“, sagt sie. Ihren Vertrag hat sie mit einem der größten deutschen Ökostromanbieter, der NaturEnergie AG (NAG), gemacht. Sie zahlt dabei, was bei der taz „Politischer Preis“ hieße und bei der NAG den schönen Namen „Gold“ trägt.

„Gold“ bedeutet ein Plus an Geld, das die Firma für regenerative Energieprojekte ausgeben kann. Und so zahlt Nawrath etwa 20 Euro mehr im Monat als zuvor. Mit diesem Geld macht sie Solaranlagen möglich – wie die auf dem taz-Dach. Doch welches Interesse hat die NAG, Energielieferant mit Sitz im sonnigen Baden-Württemberg, auf einem Berliner Dach Photovoltaik zu betreiben? Auf einem Dach im Übrigen, das die Sonne selten bescheint?

„Es ist ja nicht irgendeins“, sagt taz-Geschäftsführer Bull, „sondern ein sehr imageträchtiges Dach.“ NAG-Chef Andreas Fußer betrachtet Berlin zudem als „interessantes Pflaster“. Die NAG will mehr Ökostromkunden in Berlin werben, die taz mehr Abonnenten – und so hilft man sich gegenseitig. Die taz lässt sich ihr Dach von der NAG verschönern. Diese gibt dafür 34.000 Euro aus, zum Teil Erträge aus dem „Gold“-Strom, den mehrere hundert BUND-Mitglieder kaufen, zum Teil Geld aus der Solarenergieförderung der Bundesregierung. Fußers These: taz-Leser könnten einen Ökostromanbieter, der sich auf dem Dach ihrer Lieblingszeitung breit gemacht hat, sympathisch finden und NAG-Kunde werden.

Nur, was hat die taz davon? Zunächst: Die Damen und Herren, die in Büros direkt unterm Dach sitzen, haben es im Sommer nicht mehr ganz so stickig. Ein weiterer Gewinn aus dem gemeinsamen Projekt: „Bisher hat die taz kaum Kontakte zur Industrie“, bekennt Bull. Andere Zeitungen verdienen mit ganzseitigen Fotografien großer Autos und kahlköpfiger Männer am Telefon viel Geld – nicht so die taz. Das könnte sich nun ändern. Denn sie hat mit der NAG eine taz-kompatible Industrie entdeckt, die im Blatt werben wird. Kompatibel heißt in diesem Fall: ökologisch. Die NaturEnergie AG ist allerdings kein kleiner rebellischer Ökoladen. Im Gegenteil. „Wir sind ein Kind der traditionellen Energiewirtschaft“, sagt Fußer, „und das ist gut so.“ Der Umstieg auf regenerative Energien sei eine so gewaltige Aufgabe, „dass es ohne die große Stromwirtschaft nicht gehen wird.“

Bringt es den Geschäftsführer zuweilen in Rechtfertigungsnöte, dass vor einem Jahr die EnBW 75 Prozent der Firmenanteile kaufte? Fußer sagt: „Nein.“ Zwar halte die EnBW Anteile an AKWs, etwa in Obrigheim, aber den Atomausstieg vertrete sie glaubwürdig. Solarenergie zum Beispiel ist eine Technologie, die wenig Gewinn bringend arbeitet. „Unsere Anlage rechnet sich in 20 Jahren nicht“, sagt Bull. Weil in der Photovoltaik aber ein großes Potenzial steckt und weil die Anlage auf dem taz-Dach klein ist – auf 36,4 Quadratmetern schafft sie nicht mehr als 4,5 Kilowatt – wird sie von der Bundesregierung gefördert. Für 57,4 Cent pro Kilowattstunde fließt der Solarstrom ab 1. Januar 2004 ins Netz, dank eines Vorläufers des Erneuerbare-Energien-Gesetzes.

Die taz-Anlage sei ein „Leuchtturm“, sagt Andreas Fußer von der NAG, „für ein anderes energiepolitisches Denken und Handeln“. Um Photovoltaik effizienter zu machen, braucht man Geld – und dafür Publicity: „Solaranlagen müssen sichtbar werden“, findet auch Annette Nawrath vom BUND.

Zur Einweihungsfeier wünscht sich NAG-Chef Fußer einen saisonalen Leuchtturm: einen an die Anlage geschlossenen, elektrisch beleuchteten Weihnachtsbaum. GRIT EGGERICHS