Morbider Charme des Caligari

Das ehemalige Ensemble des Schauspielhauses Oberhausen bringt in Bonn den Stummfilmklassiker „Caligari“ auf die Bühne. Herausgekommen ist Kurzweiliges

Irgendwo in Norddeutschland, um das Jahr 1900. Holstenwall ist ein verschlafenes Nest, in dem zwei junge Männer um die Gunst der Dorfschönheit Jane buhlen. Doch als der Jahrmarkt den Ort besucht, verbreiten sich Schrecken und Chaos in der biederen Kleinstadt.

Denn mit dem Schwertschlucker und anderen Attraktionen kommt auch der finstere Dr. Caligari. Der stellt als Gruselobjekt einen Menschen aus: den somnambulen Cesare. Seit seiner Geburt soll der 23-Jährige schlafen und nur auf Befehl des zwielichtigen Doktors kurz erwachen. In seinen Lichtmomenten könne der Schlafwandler die Zukunft voraussagen, lockt der Wissenschaftler vom Typ Dr. Jekyll die zahlenden Besucher.

Die Hinterwäldler kommen natürlich, um sich in Cesares Gegenwart wohlig zu gruseln. Auch die beiden Konkurrenten Alan und Francis lassen Jane kurz außer Acht. Doch aus dem süßen Schauder wird tödlicher Ernst. Cesare weissagt Alans Tod. Als der junge Mann tatsächlich vor dem Morgengrauen stirbt, setzt eine Kettenreaktion des Grauens ein. Die Holstenwaller mutieren zu Marionetten, bewegt nach einer undurchsichtigen, kranken Logik.

Bald ist nicht mehr klar, wer in Holstenwall dem Wahnsinn verfallen ist und wer noch dagegen ankämpft. Die bewegungsreiche Choreographie des Bonner Schauspiels, das hier eine Theater-Version des Stummfilmklassikers „Caligari“ präsentiert, erinnert an das Werk von M.C. Escher, in dem die Täuschung das Auge des Zuschauers beherrscht. In dem kalten, technoid gehaltenen Bühnenraum würde man sich nach einigem Zusehen nicht mehr wundern, wenn eine der Figuren die Wände hoch- und an der Decke weiterliefe.

Christoph Roos hat den „Caligari“ nach dem Film von Robert Wiene aus dem Jahr 1920 und einem Drehbuch von Carl Mayer und Hans Janowitz inszeniert. Herausgekommen ist leicht morbide Unterhaltung für einen kurzweiligen Abend. Mehr aber auch nicht. Die zaghaften Versuche, das Stück in der Diskussion um gentechnischen Machbarkeitswahn und prä- oder postnatale Menschenwürde zu platzieren, scheitern, eben weil sie so zaghaft sind.

Das Ensemble, das in diesem Sommer beinahe komplett seinem Intendanten Klaus Weise aus Oberhausen nach Bonn gefolgt ist, kann nichts dafür. Juan Carlos Lopez als Francis, Oliver Krietsch-Matzura als Alan, Nina V. Vodop‘yanova als Jane, Günter Alt als Caligari und Andreas Maier als Cesare zeigen gewohnt starke Schauspielerei.

SEBASTIAN SEDLMAYR

Nächste Aufführungen: 13., 21., 26., und 30. Dezember, jeweils 20 Uhr, Schauspiel Bonn, Halle Beuel www.theater-bonn.de