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Archiv-Artikel

Standortsicherungen

Nach 19 Jahren will die CDU in Lübeck das selbstverwaltete Kulturzentrum „Alternative“ umsiedeln. Betreiber befürchten vollständige Abwicklung

„Warum stürzt sich die Stadt in eine so unnötige Auseinandersetzung?“

von Alexander Diehl

Im vorweihnachtlichen Lübeck würde sich ein, sagen wir, Hamburger Lokalpolitiker wohl an die letztjährige Vorweihnachtszeit daheim erinnert fühlen. Damals hatten Bewohner und Sympathisanten der seitens des Senats drangsalierten Bauwagensiedlung „Bambule“ ihren Protest in die einkaufsfreudig bevölkerten Fußgängerzonen getragen. Woraufhin der örtliche Einzelhandel sich stark machte für eine pragmatische Lösung des Konflikts um die ungeliebte Lebensform.

Das hatte zwar in Hamburg wenig Erfolg, dennoch setzt dieser Tage die Lübecker „Alternative“ auf eine ähnliche Strategie, denn auch sie sieht sich in ihrem Bestand bedroht. Die CDU-Mehrheit in der Lübecker Bürgerschaft hat wiederholt die Verlegung des selbstverwalteten Kultur- und Jugendzentrums vom derzeitigen Standort auf der Wallhalbinsel an einen noch zu findenden Ort gefordert. Nun wäre das für sich genommen vielleicht noch kein Problem: Die „Alternative“, gegründet vor 25 Jahren und weit über den unmittelbaren Nutzerkreis hinaus etabliert, musste vor 19 Jahren bereits einmal in der Stadt umziehen. Auch dagegen habe es Widerstand gegeben, erinnert sich Astrid Stadthaus-Panissié, Mitglied der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Das damalige Ausweichareal, besagte Wallhalbinsel, sei aber zwischenzeitlich zu einem städtischen „Filetstück“ geworden. Den unfreiwilligen Umzug der „Alternative“ hält die CDU folglich für deren Beitrag zur Sanierung der städtischen Finanzen: Ist der Platz erstmal frei, so die Theorie, findet sich auch ein Investor dafür.

Garantiert ist der jetzige Standort noch bis Ende Februar 2004. Und inzwischen, nachdem die Pläne für eine Messehalle beerdigt wurden, ist man seitens der Regierungsfraktion sogar zu einem Aufschub bereit: Bis Ende Juni 2005 darf die „Alternative“ nun bleiben, allerdings soll sie bis dahin deutlich höhere Abgaben – „für Einrichtungen dieser Art übliches Nutzungsentgelt“ – zahlen als die bisherigen 50 symbolischen Cent pro Monat.

Nach Maifest und Aktionstagen im Sommer begannen die „Alternative“-Aktivisten Anfang dieses Monats verstärkt auf ihre Lage und die städtischen Pläne aufmerksam zu machen. Zur Großdemonstration am vergangenen Sonnabend kamen immerhin 1.500 Unterstützer, an diesem Wochenende richtet man eine Wagendemo aus. Denn an einer der drei Säulen, welche die „Alternative“ nach eigenem Verständnis ausmachen, entzündet sich ein durchaus brisanter Nebenkonflikt: Während das Jugend- und Kulturzentrum zur Unterfütterung von Lübecks Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2010 gebraucht werde, mutmaßt „Alternative“-Aktivist Christoph Kleine, solle der angeschlossene Bauwagenplatz aufgelöst und die Bewohner der 25 Gefährte an die Peripherie abgeschoben werden. Das sei eine „Kriegserklärung“, befindet Sprecher Stefan Wiedenhöft: „Warum stürzt sich die Stadt in eine unnötige Auseinandersetzung?“

Treffpunkt Wagendemo: Sonnabend, 12 Uhr, Alternative, Willy-Brandt-Str. 9, Lübeck. Noch bis Sonntag richtet die Alternative an gleicher Stelle die „Wagentage Lübeck“ mit Party (Sa.) und „Ausklang“ (So.) aus. Infos: www.walli-bleibt.de