: „Spielräume müssen ausgelotet werden“
Jens-Uwe Thomas vom Flüchtlingsrat Berlin begrüßt die Erklärung der Städte, zweifelt aber an der Umsetzung
taz: Herr Thomas, wenn Sie die Erklärung der Städte lesen, müsste Ihnen das Herz aufgehen. Die Forderungen decken sich mit den Ihren.
Jens-Uwe Thomas: Auf jeden Fall, eine solche Erklärung würden wir als Flüchtlingsrat sofort unterschreiben. Es ist absolut wichtig, zu erkennen, dass sich Integration gerade auf die Menschen beziehen muss, die vor Verfolgung und Krieg fliehen.
Ein Paradigmenwechsel?
Es ist sicher ein Novum, dass von Bürgermeistern und Hauptstädten eine solche Erklärung abgegeben worden ist. Das hat es in dieser Form bisher noch nicht gegeben, das ist zu begrüßen.
Wie realistisch ist die Umsetzung der Forderungen?
Die kommunale Verwaltung oder auch die Bürgermeister können sich nur in einem bestimmten rechtlichen Rahmen bewegen – entweder dem nationalen oder dem EU-Rahmen. Aber da gibt es natürlich Spielräume, die es auszuloten gilt. Hier ermutigen wir die Kommunalverwaltungen, das auszuprobieren.
Deshalb wollen kommunale Behörden mehr Mitsprache in Fragen der EU-Asylpolitik.
Das halte ich für unrealistisch. Wir wissen doch, dass vieles im kleinen Kämmerlein des Europarats oder auf der Innenministerkonferenz verhandelt wird. Gerade Innenminister Otto Schily achtet sehr darauf, dass die EU-Regelungen nicht liberaler ausfallen als das deutsche Recht.
Sind die Bürgermeister also weiter als der Bund oder Europa?
Diese Erklärung geht auf jeden Fall weit über das hinaus, was wir bisher haben. Aber es ist immer einfach, etwas zu fordern, was man nicht selbst umsetzen kann oder wofür man keine politische Verantwortung hat. Festzuhalten bleibt aber trotzdem, dass die Erklärung vom Anspruch her weit über das hinausgeht, was wir bisher haben.
Inwieweit deckt sich die aktuelle Asylpolitik in Berlin mit dem formulierten Anspruch?
Natürlich gibt es noch Verbesserungsmöglichkeiten. Der Katalog fordert legitime Mittel zur Sicherung von Unterkunft und materielle Unterstüzung von Asylbewerbern. Gleichzeitig kürzen oder streichen bestimmte Sozialämter die Leistungen für Asylbewerber. Dieser Praxis könnte durch entsprechende Regelungen etwa der Sozialverwaltung entgegengewirkt werden. Auch werden viele wohnungssuchende Asylbewerber von landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sehr diskriminiert. Auch das entspricht nicht diesen Forderungen.
INTERVIEW: SUSANNE AMANN