: Afrikaner zwischen Tradition und Moderne
Der Schriftsteller Ahmadou Kourouma machte die Krise des Kontinents in seinen Romanen so fassbar wie kein anderer
Ahmadou Kouroumas Romane handeln von Enttäuschungen und Desillusionierungen. Kolonisierung und Entkolonisierung, Diktaturen und Bürgerkriege – mit diesen Phänomen befassen sich die Werke des Schrifstellers aus der Elfenbeinküste, der am Donnerstag 76-jährig an den Folgen einer Tumorentfernung gestorben ist. Kein anderer hat die Komplexität der Gesellschaftskrise Afrikas so fassbar gemacht.
Geboren wurde Kourouma 1927 in Boundiali in der Elfenbeinküste. Sein Vater war Krankenpfleger, also Angehöriger der Elite, aber aufgezogen wurde der spätere Autor von einem Onkel mit hoher Position in einem Jäger-Geheimbund. So war Kourouma von Anfang an mit beiden Seiten Afrikas vertraut – mit der sichtbaren europäische Moderne, die im Laufe der Zeit immer dominanter geworden ist, und mit den Traditionen, die sich immer unsichtbarer machen, ohne damit ihre Bedeutung zu verlieren.
Nach einer Wehrpflichtzeit in Indochina studierte Kourouma in Frankreich und kehrte nach der Unabhängigkeit der Elfenbeinküste 1960 in die Heimat zurück. Dort wurde er im Rahmen eines Feldzuges gegen „Verschwörer“ verhaftet und mit Arbeitsverbot belegt. Somit zur Untätigkeit verurteilt, schrieb er „Les soleils des indépendances“ (dt. „Der schwarze Fürst“). Das beeindruckende, düstere Erstlingswerk fand zunächst keinen Verleger. 1967 erschien es schließlich in Quebec. Ein Grund für die Ablehnung war, dass Kourouma sich erdreistete, sein Französisch mit Elementen der eigenen Malinke-Sprache zu bereichern.
Es folgten Jahrzehnte im Exil, und als Schriftsteller hörte man nichts mehr von Kourouma. Erst als er 1990 im Zuge der Demokratisierung wieder nach Hause ging, fing er wieder an zu schreiben. „Monné, outrages et défis“ (1990) handelt von der gewaltsamen Kolonisierung und ist sein sprachlich am leichtesten zugängliches Buch. „En attendant le vote des bêtes sauvages“ (1998, dt. „Die Nächte des großen Jägers“) ist eine böse Satire über afrikanische Diktatoren. Nur die Angst des Verlegers verhinderte, dass in dem Buch reale Vorbilder auftauchen. Weltweit berühmt machte ihn „Allah n’est pas obligé“ (2000, dt. „Allah muss nicht gerecht sein“), eine aus den Augen eines Kindersoldaten geschriebene Geschichte aus Liberias Bürgerkrieg.
Es war ein später Ruhm. Kourouma als Warner vor Afrikas Fehlentwicklungen und zugleich als Wahrer von Afrikas Reichtum – das war eine schwere Last in einer Zeit, wo sogar seine Heimat von Rassenhass und Bürgerkrieg ergriffen wurde. Kourouma blieb in Frankreich. In der Heimat warteten Todesschwadronen auf ihn, sagte er vor einem Jahr im taz-Gespräch.
International fühlte sich Kourouma oft missverstanden. Seine Romane seien viel näher an der Realität, als die meisten Leser wüssten, sagte er einmal. Mythenbildung lehnte er ab: „Hätten die Afrikaner wirklich magische Kräfte, würde es uns besser gehen.“ DOMINIC JOHNSON