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Archiv-Artikel

Parteiaufstand gegen Blairs Studienpläne

Britische Pläne, Universitäten die autonome Festlegung von Studiengebühren zu erlauben, führen zu Labour-Revolte

DUBLIN taz ■ Tony Blair hat mal wieder die Überlebensfrage gestellt. Der britische Premierminister hat seinen Rücktritt angedroht, falls seine Hinterbänkler die Erhöhung der britischen Studiengebühren zu Fall bringen. Er will, dass die Universitäten für bestimmte Kurse die Gebühren bis zu einem Höchstbetrag von 3.000 Pfund selbst festlegen dürfen. Bisher zahlen die Studenten rund 1.000 Pfund.

Als Konzession will Blair zugestehen, dass Studenten aus ärmeren Familien Stipendien bekommen. In der Gesetzesvorlage steht das freilich nicht. Das werde man regeln, wenn das Gesetz verabschiedet sei, sagte Blair, doch seine Hinterbänkler trauen ihm nicht. 157 von ihnen haben eine Resolution unterschrieben, in der sie ihre „tiefe Besorgnis“ über Blairs Pläne ausdrücken. Wenn sie entsprechend abstimmen und die Regierungsvorlage ablehnen, dann erleidet Blair seine erste Unterhaus-Niederlage seit seinem Amtsantritt 1997.

Nur wenige Labour-Rebellen sind gegen eine Erhöhung der Gebühren an sich, die meisten befürworten jedoch eine pauschale Anhebung auf 2.500 Pfund. Wenn man es den Universitäten überlasse, so argumentieren sie, werden Eliteanstalten wie Oxford und Cambridge nur noch Studenten aus reichen Elternhäusern offen stehen.

Das ist jedoch bereits Realität. Das „Institut für politische Forschungen“ hat in einem Bericht festgestellt, dass das derzeitige System der Bildungsfinanzierung „den Wohlhabenden zugute kommt und durch Besteuerung der Armen subventioniert“ werde. Die soziale Mobilität zwischen den Klassen habe sich seit den 60er-Jahren nicht verbessert, heißt es.

Das Institut steht Blair politisch nahe, doch selbst die Wochenzeitung New Statesman, die meist auf Seiten der linken Labour-Dissidenten steht, wundert sich diesmal über deren Haltung. „Es ist außergewöhnlich“, schreibt das Blatt, „dass die Hinterbänkler, die fünf Kriege, unzählige Privatisierungen, die Inhaftierung von Flüchtlingen sowie den Abbau von Bürgerrechten geschluckt haben, plötzlich zur Revolte bewegt werden, um Studenten aus der Mittelschicht davor zu bewahren, etwas mehr zu den Kosten ihrer Ausbildung beizutragen.“

Bei der Halbprivatisierung der Krankenhäuser funkionierte Blairs Rücktrittsdrohung noch; die Reform wurde mit 17 Stimmen Mehrheit verabschiedet – bei einer Labour-Mehrheit im Unterhaus von 161 Stimmen. Bei den Studiengebühren wird es aber eng. Die Abstimmung, die eigentlich längst stattfinden sollte, hat Blair vorsichtshalber auf Ende Januar verschoben.

Nicht mal die Tory-Premierministerin Margaret Thatcher, die sonst vor keiner umstrittenen Maßnahme zurückschreckte, hatte sich an Studiengebühren herangetraut. Erst Blair hatte überhaupt welche eingeführt. Auch jetzt sind die Konservativen dagegen, allerdings aus rein wahltaktischen Erwägungen.

Viele Labour-Abgeordnete fragen sich, warum Blair diesen Nebenkriegsschauplatz überhaupt eröffnet hat. Finanzielle Gründe können es nicht sein: Die Studiengebühren sollen erst nach Abschluss der Ausbildung in Raten bezahlt werden und bringen im Jahr gerade mal so viel Geld ein, wie der staatliche Gesundheitsdienst pro Tag ausgibt.

Offenbar will Blair das Augenmerk auf innenpolitische Themen lenken. Mitte Januar wird Richter Brian Hutton seinen Irak-Untersuchungsbericht veröffentlichen. Sollte darin stehen, dass der Premierminister persönlich die vom Irak ausgehende Gefahr aufgebauscht habe, um seinen Krieg zu rechtfertigen, wären Blairs Tage gezählt.

RALF SOTSCHECK