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berliner szenen Fernsehen gegenüber

Erwachsenengedanken

Oft schaut das kleine Mädchen mit den dunklen Locken in der Wohnung gegenüber aus dem Fenster. Sie wirkt schüchtern, aber manchmal, wenn ich das Fenster geöffnet habe und rüberschaue, winkt sie. Ich winke zurück. Wahrscheinlich hat sie keinen Kita-Platz bekommen, denke ich, und dass Kinder in den Kindergarten gehören. Wundert sie sich vielleicht, dass ich immer zu Hause bin?

Vielleicht fühlt sie sich eingesperrt, so zu Hause mit der Mutter, die immer in der Wohnung herumwerkelt. Das ist aber ein Erwachsenengedanke: Als Erwachsener denkt man natürlich, dass es für Kinder schlecht ist, wenn sie ständig mit ihren Eltern zusammen sind, aber das Mädchen kennt ja nichts anderes; das, wo sie wohnt, ist ihr selbstverständlich, und vielleicht hat sie ja auch eine Dreitagewoche im Kindergarten. Nach dem Aufstehen macht die Mutter jedenfalls den Fernseher an, damit auch noch andere Erwachsene in der Wohnung sind. Seltsam nur, dass ihr Fernseher so steht, dass ich alles sehen kann, aber erkennen tu ich ja doch nichts. Und am Vormittag, wenn die Sonne in die Wohnung scheint, wird gelüftet. Und abends kommt der Vater mit dem Taxi nach Hause, und wenn das Mädchen schon längst schläft, wird der Fernseher gegenüber von meinem Fenster wieder ausgemacht.

Auf der Straße habe ich das kleine Mädchen noch nie gesehen, jedenfalls nie bewusst. Es kann durchaus sein, dass ich sie einmal sah, aber nicht registrierte; oft sagen mir ja auch Bekannte, dass ich sie übersehen hätte. Neulich hatte sie mit ihrer kleinen Mädchenstimme „Hallo“ über die Straße gerufen. Und ich hatte gehofft, dass es deshalb vielleicht ein schöner Tag werden würde.

DETLEF KUHLBRODT

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