: Zeugen Jehovas könnten Frieden finden
Seit Jahren streiten die Zeugen Jehovas mit dem Land über ihre Anerkennung als Körperschaft. Jetzt schlägt das Gericht einen Vergleich vor. Keine Kirchensteuer, keine Beamten, kein Religionsunterricht – ansonsten wäre alles wie bei den großen Kirchen
von Mareke Aden
Wenn die Zeugen Jehovas als Körperschaft anerkannt werden, wäre das noch nicht der Untergang Berlins. Zumindest sieht das ungefähr so der Vorsitzende Richter des Berliner Oberverwaltungsgerichts, Jürgen Kipp. Es klang so, als müsse er das am Rande eines weiteren Prozesstages gestern mal kurz feststellen, weil das Land Berlin und die Religionsgemeinschaft schon fast 15 Jahre kompromisslos um diese Frage streiten. „1990 haben die Zeugen Jehovas den Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts beantragt. Jetzt haben wir 2004“, sagte der Richter. „Es ist Zeit, einen Moment innezuhalten und nach einer friedlichen Lösung zu suchen.“
Wie die in etwa aussehen könnte, darüber sprach er kurz danach. Die Zeugen Jehovas würden darauf verzichten, an Schulen Religionsunterricht zu erteilen, Kirchensteuern zu erheben oder Beamte zu beschäftigen. Sie wären also nicht den großen Kirchen ebenbürtig.
Dafür könnte die Regelung nach seinen Vorstellungen bundesweit gelten. Und wenn beide Parteien sich bis März 2005 einigen, wäre der Streit endgültig vorbei. Andernfalls könnte er sogar noch das Bundesverfassungsgericht beschäftigen.
Das wäre auch im Sinne des Gerichts. Ohne Einigung muss das Gericht womöglich Zeugen vernehmen, die darüber aussagen, wie „rechtstreu“ die Zeugen Jehovas sind. Das steht in Frage, weil das Land Berlin vorgetragen hat, sie würden Abtrünnige rigoros ausschließen, ihre Kinder isolieren und sie in ihren zahlreichen Versammlungen durch Stillsitzen und Misshandlungen quälen.
Die Vertreter der Religionsgemeinschaft bestreiten das vehement. Als Zeugen kommen aber vor allem Leute in Frage, die sich von der Religionsgemeinschaft losgesagt haben und damit vielleicht nicht mehr objektiv sind. Der Richter nannte das eine „schwierige prozessuale Lage“. Beide Seiten wollen den Vergleich von Richter Kipp nun prüfen.
Die Zeugen Jehovas tendieren nach eigenen Angaben eher dazu, ihn anzunehmen. Ihr Sprecher Uwe Langhals sagte: „Wir haben kein Interesse an der Kirchensteuer und am Beamtenverhältnis, das widerspricht unserem religiösen Selbstverständnis.“ Nach Angaben des Justiziars der Religionsgemeinschaft, Gajus Glockentin, geht es besonders darum, Satzungen leichter einheitlich ändern zu können. Das sei bisher schwierig, weil die Gemeinschaft in fast 1.500 Vereinen organisiert sei.
Der Rechtsanwalt des Landes Berlin, Stephan Südhoff, nannte einen Vergleich „grundsätzlich schwierig“. Das Land Berlin habe gar nicht die Befugnis, die Zeugen Jehovas bundesweit anzuerkennen, auch unter Einschränkungen nicht.