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Archiv-Artikel

Geschützter Ideenverkehr

Eine geplante EU-Richtlinie könnte Patente auf Software ermöglichen. Profitieren würden nur die großen Firmen

Dass eine Mausefalle durch ein Patent geschützt werden kann, leuchtet ein. Was aber, wenn man das Fangen von Mäusen patentieren könnte? Absurd. Für Software könnte eine EU-Richtlinie das jedoch bald zulassen: Nicht mehr nur der Programmiercode von Computerprogrammen soll demnach geschützt sein, sondern die Idee.

Das könnte etwa den elektronischen Einkaufswagen betreffen, der vielen vom Internet-Shopping bekannt ist. Dann müsste ein Programmentwickler auf der Hut sein, nicht bereits geschützte Ideen zu verwenden. Davon sehen sich sowohl Entwickler und Verfechter von freier Software und Open Source als auch mittelständische und kleine IT-Unternehmen bedroht.

Die Bundesregierung, genauer: das Justizministerium, unterstützte im Mai einen vorläufigen Beschluss des EU-Ministerrats, der nach Ansicht von Kritikern eine weitgehende Patentierung von Software und Geschäftsprozessen möglich machen würde. Das verärgerte die Bundestagsfraktionen aller Couleur vor allem deshalb, weil sich Justizministerin Zypries im Vorfeld gegenteilig geäußert hatte.

Ihren Unmut haben sie jetzt in einem interfraktionellen Antrag kanalisiert. Hatten Anträge von FDP und CDU/CSU das Vorgehen der Bundesregierung noch ziemlich hart an den Pranger gestellt, schlägt der gemeinsame Antrag gemäßigtere Töne an. „Das ist natürlich dem Konsens geschuldet“, erklärt CDU-Medienrechtsexperte Günter Krings, der an dem Antrag mitfeilte. Das Papier, das der taz vorliegt, fordert die Bundesregierung auf, sich auf europäischer Ebene gegen die zu weitläufig gefasste Patentierbarkeit so genannter computerimplementierter Erfindungen auszusprechen.

Im parlamentarischen Tagesgeschäft sind interfraktionelle Anträge nicht gerade die Regel. „Das zeigt, wie falsch die Position der Bundesregierung war, wenn sogar SPD- und Grünen-Fraktion ihre Regierungssolidarität hintenanstellen“, sagte Krings. Für ihn ist der Antrag auch eine „klare Kritik an der Haltung des Justizministeriums“. Der grüne Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag ordnet den Vorgang anders ein: „Wir wollen nicht nur der Notar Brüssels sein, sondern uns mit einer eigenen Stimme in die Verhandlungen einbringen.“ Oliver Moldenhauer vom Netzwerk Attac sieht den Vorstoß der Fraktionen als „dringend notwendig“ an. Jetzt sei allerdings vor allem die Bundesjustizministerin Zypries in der Pflicht, die im EU-Ministerrat mit über die Richtlinie entscheidet. „Die Regierungsfraktionen sollten mehr Engagement auf ihre Ministerin richten, die in Brüssel über die Richtlinie verhandelt“, fordert Moldenhauer.

Der Antrag wurde gestern Abend in den Bundestag eingebracht und an die Ausschüsse überwiesen. Obwohl die Parteien ihre Positionen für den Kompromissantrag schon hinreichend ausdiskutiert haben, wird er vermutlich erst im Januar vom Bundestag verabschiedet. Verhandelt wird über die Patente auf Software seit mehr als zwei Jahren – allerdings auf EU-Ebene, wo der Bundestag politisch nichts zu melden hat.

Die EU-Richtlinie, die dann wiederum in nationales Recht umgesetzt werden muss, soll die Patentierung von computerbezogenen Erfindungen, wie auch computergesteuerte Maschinen, europaweit vereinheitlichen.

Die Fahnenträger für Software-Patente rekrutieren sich hauptsächlich aus dem Lager der großen Softwarekonzerne. Diese haben, im Gegensatz zu kleineren Unternehmen und Open-Source-Projekten, die Möglichkeit, eine große Anzahl an Patenten anzumelden und bei der Entwicklung von neuen Programmen zu prüfen, ob schon Patente bestehen. Vor allem haben sie aber auch das nötige Kleingeld, um sich die ein oder andere Patentverletzung zu leisten.

Das weitere Prozedere auf EU-Ebene indes wird sich noch hinziehen. Frühestens im Frühling 2005 wird das europäische Parlament erneut über die dann modifizierte Richtlinie befinden. Lehnt es ab, kommt das Vermittlungsverfahren in Gang. Bis man sich einigt, bleibt hier erst mal alles beim Alten. JOCHEN SETZER