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Archiv-Artikel

schmickler macht ernst Der Tünnes als Schäl?

WILFRIED SCHMICKLER: Der Mann mit der Axt holzt für die taz

Da sage noch einer, das Theater in Köln befände sich in der Krise. Gut, wenn man sich den baulichen Zustand von Oper und Schauspielhaus anschaut, könnte dieser Eindruck durchaus entstehen. Auch ein Blick auf die deprimierenden Spielpläne lässt wenig Freude aufkommen: „Der Bettelstudent“, „Die Zweigroschenoper“ und „Faust in der Tasche“. Der Rest ist Schweigen und Warten auf den letzten Vorhang.

Und in dieser traurigen Situation ist es für alle Liebhaber der großen Schauspielkunst ein wahrhafter Trost, dass immer mehr Laiendarsteller die Initiative ergreifen und mit spontanen Inszenierungen das entstandene Vakuum füllen. Nehmen wir etwa die nimmermüden Rampensäue der Kölner CDU. Was diese grandiosen Schauspieler Woche für Woche an Spitzenprogramm bieten, das ist schon atemberaubend. Vom knallharten Sozialstaatsdrama bis zur grotesken Verwechslungskomödie – die Charakterdarsteller der Theater-Union haben alles drauf.

Ich erinnere an das Trauerspiel „Die Bewerber“ mit dem wahrhaft tragischen Chor der 11 Jungfrauen. Oder denken wir an das absurde Improvisationstheaterstück „Von Nix kommt Nix“, das für schenkelklopfende Begeisterung gesorgt hat. Und nicht zu vergessen die seit Monaten Woche für Woche mit neuen Höhepunkten aktualisierte Dauerinszenierung von „Richard, dem Dicken“ mit Knallcharge Blömer in der Rolle des intriganten Bösewichts! Ja, da donnert das Theater, da biegen sich die Bühnenbalken. Und immer wenn das Publikum glaubt, jetzt hat es sich ausgespielt, zack, haut die Intendanz der christdemokratischen Laien-Spielschar einen neuen Brüller raus. Die CDU als Avantgarde im kommunalpolitischen Spielbetrieb, das ist theaterpreisverdächtig.

Was den von soviel dramatischer Brillanz amüsierten Zuschauer allerdings wundert, ist, dass auf dem Gipfel des Erfolgs plötzlich im CDU-eigenen Ensemble Stimmen laut werden, die eine sofortige Absetzung des absoluten Mega-Krachers im Unions-Programm fordern. Die Rede ist von der schreiend komischen Hanswurstiade „Tritra-trullala, der Schrammafritz ist wieder da!“ mit Fritz Schramma in seiner Lebenstraum-Rolle als Fußballgott in der Maske eines fidelen Karnevalsprinzen. Da fordert der Kölner Wirtschaftsrat der CDU allen Ernstes, unser saukomischer Oberbürgermeister-Darsteller solle seine Auftritte als volkstümelnder Fußballjeck um die Hälfte reduzieren und sich statt dessen mehr um die wirtschaftliche Basis des ganzen Theaters kümmern. Mensch Kinners, der Mann ist Laie! Der hat sich in jahrzehntelanger Kleinarbeit eine Rolle auf den Leib geschneidert und jetzt kommt ihr und wollt ihn umbesetzen. Wie soll das gehen? Tünnes bleibt Tünnes, Schäl bleibt Schäl und Schrammafritz bleibt Schrammafritz. Und das wird immer so bleiben. Bis die Lichter ausgehen!