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Archiv-Artikel

Das Auge des Sturms

Machtkampf zwischen Teilen der CDU-Fraktion und Kultursenatorin. Erstes Opfer ist Kampnagel

von Petra Schellen

Was als dezentes Murmeln begann, droht sich zu einem lärmenden Machtkampf zu entwickeln, dessen erste Opfer experimentelle Kultureinrichtungen sind. Dabei ist fraglich, ob es wirklich bloß um Prozente geht oder ob der Antrag der „AG Kultur“ der CDU nicht eher darauf zielt, Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) vorzuführen.

Wie sonst ist zu erklären, dass der CDU-Antrag Kampnagel als Privattheater definiert, das ab 2005 zwei Prozent des Etats – 74.000 Euro – der Theaterprojektförderung zuzuführen habe? Eine Summe, die zur Aufstockung dieses Topfes auf 340.000 Euro führen wird; die Senatorin hatte 270.000 Euro avisiert. Mittelfristig liege dies auf der Linie der Kulturbehörde, beteuert deren Sprecher Björn Marzahn. Nicht auf Linie liegt allerdings die Umwidmung von Kampnagel: Stets hatte die Senatorin betont, dies sei „kein Privattheater, sondern eine Zwischenform“.

Abgesehen davon war in den vorangegangenen Beratungen von zweimal 1,5 Prozent in 2005 und 2006 die Rede gewesen, die die Privattheater der Projektförderung zuführen sollten; surreal wirkt da die Beteuerung, bei einmal zu zahlenden zwei Prozent solle es dann auch bleiben. Im Übrigen habe die Senatorin den CDU-Antrag im Vorfeld gekannt, sie trage ihn mit und sei überzeugt, dass er seine Mehrheit finden werde, sagt Marzahn.

Verhindern konnte sie ihn aber nicht – und so ist Kampnagel über Nacht zu einer Art Intrigen-Opfer geworden. „Diese Einsparung zerstört die Basisfunktionen auf Kampnagel“, sagt die perplexe Intendantin Gordana Vnuk. Und ob Kampnagel künftig Privattheater-Projektmittel wird beantragen können, weiß derzeit auch in der überrumpelten Kulturbehörde niemand.

Solidarität bekundet indessen Zebu Kluth, Geschäftsführer des Altonaer Theaters: „Ich halte es für ein merkwürdiges Prozedere, Kampnagel mal eben als Privattheater zu definieren und gleich als größten Einzahler in den Projekt-Fördertopf zu benutzen. Das klingt, als solle Kampnagel – wenn auch getarnt – gezielt etwas weggenommen werden.“

Mit der grundsätzlichen Umverteilung zwecks Erhöhung des Fördertopfes einverstanden ist indessen Ulrike von Kieseritzky, Leiterin des Monsun Theaters. Über die Erhöhung auf zwei Prozent habe die Senatorin sie in einem Gespräch informiert. Das Ernst-Deutsch-Theater dagegen erfuhr dies aus der Zeitung.

Wirren, in denen die Tatsache, dass auch der Fabrik ab 2006 rund 90.000 Euro genommen werden, fast untergeht. „Als ich erfuhr, dass wir als einzige Musikinstitution sparen sollen, war ich sehr verärgert“, sagt deren Leiter Horst Dietrich. „Schließlich leisten wir explizit Stadtteil- und Jugendarbeit.“ „Diese Gelder sollen der Aufstockung des Titels ,Besondere Musikförderung‘ auf 150.000 Euro dienen“, kontert Marzahn. Was damit gefördert werden soll? „Chöre, Orchester und musikalische Gesellschaften.“ Durchweg konservative Präferenzen? Reiner Zufall.