Gegen den Spuk

Tausende protestieren gegen Kürzungen in der Bildung und mahnen Kurswechsel an. GEW erwägt Gang nach Karlsruhe wegen Routen-Verbot

„Wenn jemand von Euch meint, mit Neuwahlen ist der Spuk vorbei, dann hat er sich getäuscht.“

Von Eva Weikert

Bahador und seine Mitschüler vom Gymnasium Klosterschule waren in Müllsäcke gekleidet auf den Hachmannplatz gekommen. „Der Senat spart die Bildung kaputt“, erklärte der Schülersprecher den Aufzug, während mehrere Klassen an die Regierung gewandt skandierten: „AZM (Lehrerarbeitszeitmodell, Anmerk. d. Red.), ihr seid plemplem. Wir sind die Zukunft.“ Darin zu investieren, forderte Bahador den Senat auf: „Die Ausstattung der Schulen ist veraltet, es mangelt an Lehrmittel und Lehrern fehlt die Zeit für Schülergespräche.“

Der 17-Jährige ist einer von etwa 3.000 HamburgerInnen, die gestern in der Innenstadt gegen „die Demontage des Bildungs- und Erziehungbereichs“ und „menschenfeindlichen Sozialabbau“ durch den Rechts-Senat protestierten. Unter dem Slogan „Im Rathaus sind die Räuber“ hatte ein Bündnis aus 24 Gruppen von Kita-Initiativen über Schulen bis zu Hochschul-ASten zur Demo aufgerufen.

Der Protest richtete sich gegen Neuerungen wie die Hochschulreform, die Privatisierung der Berufsschulen und das Lehrerarbeitszeitmodell. Zugleich geißelten die Demonstranten, von denen viele Kinderwagen schoben, den massiven Mangel an Kita-Plätzen. In einem Sarg trugen sie symbolisch die Bildung zu Grabe. „Bildung statt Hafencity“ und „Intelligent, statt an Intelligenz sparen“ stand auf Transparenten. „In der Bildung und bei soziale Leistungen wurde gekürzt“, bilanzierte Stephanie Odenwald, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), zwei Jahre Schwarz-Schill. „Hamburg ist kälter und gnadenloser geworden.“ Das Lehrarbeitszeitmodell führe zu einer „Stopp-Uhr-Pädagogik“.

Die Demonstration war anlässlich der Beratungen der Bürgerschaft über den Haushalt geplant, die wegen der Neuwahlen jedoch ausfallen. Die Aussicht auf einen möglichen Regierungswechsel nahmen die Demonstranten zum Anlass, die Opposition zu einem Kurswechsel zu ermahnen. „Wenn jemand von euch meint, dass mit den Neuwahlen der Spuk vorbei ist, dann hat er sich getäuscht“, wandte sich Sieglinde Friess von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di an die Menge. Der Blick auf die Bundespolitik mache deutlich, „Rot-Grün wie auch andere Konstellationen wären nicht die Insel der Glückseligkeit.“ Die SPD beeilte sich, solche Bedenken auszuräumen. Der Rechts-Senat sei auch an seiner Bildungspolitik gescheitert, erklärte die schulpolitische Sprecherin der SPD, Britta Ernst, anlässlich der Demo. Durch die Neuwahlen gebe es nun die Chance auf „Korrektur“.

Verbesserungen können nach Ansicht der Initiative „Eltern für eine familiengerechte Betreuung“ das Kita-Gutscheinsystem auch nicht mehr retten. Sie forderte „ein brauchbares Konzept“ für die Kinderbetreuung. Das Gutscheinsystem grenze Kinder von Sozialhilfeempfängern und Arbeitslosen aus. „Bildung wird eine Frage des Einkommens.“

Das befürchtet auch Bela Rogalla vom Studierendenausschuss der Hochschule für Wirtschaft und Politik. Er forderte, den Abbau von Studienanfängerplätzen sowie Studiengebühren zu verhindern. „Das läuft auf ein elitäres System hinaus, welches nur finanziell abgesicherten Personen Zugang zu Bildung ermöglicht“, rügte auch Jenny Weggen vom AStA der Universität. Um gegen die vom Senat beschlossene Halbierung seiner Zuschüsse an das Studentwerk zu protestieren, waren kurz vor der Demo 60 Aktivisten der Initiative „Hamburg umsonst“ mit Studierenden in der Uni-Mensa Essen gegangen, ohne zu zahlen.

Empört zeigten sich die Protestierenden über die Verbannung der Demo von der Mönckebergstraße auf den Ballindamm. Die Polizei hatte den Gang durch die Einkaufsmeile verboten, das von der GEW daraufhin angerufene Oberverwaltungsgericht bestätigte gestern das Verbot. „Eine Unverschämtheit“, rügte GEW-Chefin Odenwald. „Das Verbot schränkt die Versammlungsfreiheit ein.“ Die GEW erwägt darum, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.