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Archiv-Artikel

„Internationale Richter nicht überschätzen“

Der Strafrechtsprofessor Kai Ambos hält ein nur von Irakern besetztes Kriegsverbrechertribunal für durchaus brauchbar. Am liebsten wäre ihm aber, der Internationale Strafgerichtshof könnte über Saddam Hussein urteilen

taz: Herr Ambos, vor welches Gericht sollte Saddam Hussein Ihrer Ansicht nach gestellt werden, jetzt, wo man seiner habhaft geworden ist?

Kai Ambos: Ich würde es begrüßen, wenn er sich vor dem neu eingerichteten ICC [International Criminal Court = Internationaler Strafgerichtshof; die Red.] in Den Haag verantworten müsste. Gerade weil die Verbrechen Saddam Husseins weltweit wenig umstritten sind, wäre er als erster großer Fall des Gerichts gut geeignet.

Sehr realistisch ist das aber nicht …

Nein. Der Ankläger am ICC ist nicht zuständig, weil Irak das ICC-Statut nicht ratifiziert hat und die fraglichen Verbrechen Saddams auch vor dem In-Kraft-Treten im Juli 2002 begangen wurden. Theoretisch ist es laut ICC-Statut aber möglich, dass der UN-Sicherheitsrat den Fall Saddam Hussein an den ICC überweist. Da die USA den ICC aber als Gefährdung ihrer globalen Sicherheitsinteressen ablehnen, wird im UN-Sicherheitsrat absehbar wohl kein Beschluss für diesen Weg zustande kommen.

Der irakische Regierungsrat hat ja erst Anfang Dezember ein eigenes Kriegsverbrechertribunal gegründet. Teilen Sie die Forderung von Menschenrechtlern, dass nicht nur irakische Richter über Saddam urteilen sollten?

Die Iraker kennen das Land und die Sprache. Das ist ein großer Vorteil. Internationale Richter müssten sich erst mühsam einarbeiten.

Aber sind irakische Richter nicht viel zu sehr befangen, entweder als ehemalige Anhänger oder als Gegner des Regimes des Mannes, über den sie jetzt urteilen sollen?

Natürlich kommt für so ein Richteramt niemand in Betracht, der bis zuletzt in der gleichgeschalteten Justiz arbeitete. Aber der Irak ist ein großes Land, da gibt es sicherlich auch unkompromittierte Juristen, die beispielsweise als Rechtsanwälte oder in Behörden oder eben auch im Exil überwintert haben.

Sollte nicht wenigstens ein Teil der Richter an diesem Kriegsverbrecher-Tribunal aus anderen Staaten als dem Irak kommen?

Man sollte diese internationalen Richter nicht überschätzen, insbesondere wenn sie aus westlichen Industrieländern kommen. Das machen dann oft Leute, die ohnehin in internationalen Organisationen wie der OSZE tätig sind, aber weder vom Strafrecht noch vom jeweiligen Land viel Ahnung haben. Vor allem wenn der Gerichtsort irgendwo fernab liegt, ist es sehr schwer, qualifiziertes Personal zu bekommen. Auch bezweifle ich, dass solche Richter immer von der lokalen Bevölkerung akzeptiert werden.

INTERVIEW: CHRISTIAN RATH