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Archiv-Artikel

Der Verrat hat viele Väter

In al-Dawr, wo Saddam gefasst wurde, hat die Familie seines Stellvertreters das Sagen. Aber auch die kurdische PUK reklamiert den Erfolg für sich

AUS BAGDAD INGA ROGG

Nie und nimmer würde er das Versteck seines Onkels verraten, sagte vor zwei Wochen ein Neffe von Issat Ibrahim al-Duri gegenüber der taz. Und auch nicht das von Saddam Hussein. Gleichzeitig ließ Mukarram Schahab Ahmed aber keinen Zweifel daran, dass er die Verstecke der beiden kennt. Möglicherweise hat nun aber ein Hinweis aus Saddams engster Umgebung die amerikanischen Suchtrupps am Samstagabend zum Versteck des Exdiktators geführt. Gefasst wurde er in einem Erdloch auf einem Bauernhof in der Nähe von al-Dawr. Al-Dawr ist der Geburtsort von al-Duri, und hier hat die Familie weiterhin das Sagen. Duri, zuletzt einer von Saddams Stellvertretern, ist weiterhin auf freiem Fuß.

Dank der Patronage von Duri hat sich das ehemals kleine Dorf in der Ebene südlich von Tikrit zu einem gepflegten Kleinstädtchen entwickelt, das sogar über eine eigene Hochschule verfügt. Die Straßen sind, anders als in vielen Orten des Zentralirak, sauber. Im Osten, dort wo Duri früher einen kleinen Palast hatte, haben die Amerikaner al-Dawr durch Stacheldrahtrollen abgezäunt.

Doch trotz der US-Besetzung ist al-Dawr weiterhin in Familienhand. Überall wachen ihre aufmerksamen Späher über jeden Neuankömmling und fragen nach dem Grund des Aufenthalts. Notfalls schicken sie den Besuchern auch einen Wagen hinterher, um ihre Route zu überwachen. Dass die Festnahme Saddams ohne Kenntnis der Familie erfolgen konnte, ist daher kaum vorstellbar.

Kurz vor dem Besuch der taz in al-Dawr wurden eine Frau und Tochter von Duri festgenommen. Die Tochter kam wenige Tage später wieder frei. Aus dem Kreis der Gefangenen sei schließlich auch der entscheidende Hinweis für die Festnahme des Despoten gekommen, sagte ein Armeesprecher der 4. Infanteriedivision in Tikrit. Sollte der Tipp während eines Verhörs gefallen sein, dürfte sich die Auszahlung des Kopfgeldes in Höhe von 25 Millionen Dollar erübrigen.

In den vergangenen zwei Wochen hatten US-Einheiten in dem Gebiet zwischen Samarra und Tikrit eine intensive Operation gestartet. Neben hunderten anderen wurden dabei auch zehn Mitglieder von Saddams Familie gefangen genommen. Aus diesem Kreis seien schließlich Hinweise auf die verschiedenen Verstecke Saddams gekommen. Demnach hatte Saddam eine Reihe von Quartieren, zwischen denen er sich bewegte. Alle drei bis vier Stunden habe er ein anderes Versteck gewählt. Obwohl der Despot auch schon früher gerne mal in alter Kämpfertradition bei einfachen Familien nächtigte, waren am Tag nach der Festnahme in Bagdad viele Beobachter überrascht von den Bildern, die ihn als ungepflegten, verwirrt wirkenden Alten zeigten.

Während das US-Militär auf den Erfolg seiner Aufklärungsarbeit verweist, betonten irakische Politiker in der Hauptstadt ihren Anteil an der Festnahme. Der Vorsitzende des Irakischen Nationalkongresses, Ahmed Chalabi, erklärte, insbesondere die PUK (Patriotische Union Kurdistan) habe zum Erfolg der Operation beigetragen. Kurdische Medien berichteten, Kosret Rasul Ali, Mitglied des PUK-Politbüros und Chef ihrer Peschmerga-Einheiten, habe wichtige Geheiminformationen beigesteuert. „Wir haben unseren Anteil an dieser Geschichte“, sagte ein Sprecher der PUK gegenüber der taz.

Bereits vor dem Krieg gab es eine enge Zusammenarbeit zwischen der PUK und dem US-Militär. Ihre Untergrundkämpfer hatten erheblichen Anteil an der Aufklärungsarbeit im kurdischen Norden und in Bagdad. Dabei gilt Kosret Rasul Ali als einer der Architekten der Kontakte zwischen hochrangigen Vertretern des US-Militärs und der irakischen Geheimdienste. Dazu zählt auch die Verbindung zum ehemaligen Chef des irakischen Militärgeheimdienstes Istikhbarat, Wafik as-Samarrai. Westliche Geheimdienste gehen davon aus, dass Samarrai bis zum Sturz des Regimes über einen Draht in die oberen Etagen des Geheimdienstes verfügte. Diese Seilschaften könnten den USA auch jetzt geholfen haben.