Herthaner werden zum Jubelrudel

Wahnsinn, Wahnsinn, Wahnsinn! Nach dem 6:0 gegen Gladbach kennt die Begeisterung bei Hertha BSC kaum Grenzen. Doch der hohe Sieg täuscht über Schwächen hinweg. „Die Basis für den Erfolg liegt in der Defensive“, schwant es Kapitän Friedrich

VON PATRICK ABELE

Hertha-Kapitän Arne Friedrich gilt als der ruhende Pol in der Mannschaft, der praktisch nicht aus der Fassung zu bringen ist. Mit seiner Beherrschung war es jedoch in der 54. Spielminute vorbei, obwohl die Berliner seit der 38. Minute durch ein Tor des genesenen Giuseppe Reina mit 1:0 führten. In Leitwolfmanier wies er wild gestikulierend Innenverteidiger Simunic zurecht.

Verursacht hatte Friedrichs Ausbruch ein Stellungsfehler des Kroaten nach einer Standardsituation für die Gladbacher, in Folge dessen Christian Ziege freistehend zum Kopfball kam und Hertha-Keeper Christian Fiedler zu einer Großtat zwang. Während nun Friedrich und Simunic – völlig mich sich beschäftigt – die Diskussion vertieften, leitete der Torhüter direkt den Konter ein, den Nando Rafael nach einem Sprint über den halben Platz zum 2:0 abschloss. Die Berliner Spieler rissen die Arme hoch und formierten sich zum Jubelrudel. Arne Friedrich und Josip Simunic setzten ihre Auseinandersetzung fernab fort, weil „die Basis für den Erfolg in der Defensive liegt“, so Kapitän Friedrich nach Spielschluss.

Das klingt nicht paradox angesichts des 6:0-Erfolgs von Hertha BSC, hatte sich der Verein doch bisher eher durch Heimschwäche ausgezeichnet. „Das war ein schöner Tag für uns, aber wir hatten viel Arbeit, bis wir Gladbach so weit hatten“, so das Resümee von Hertha-Trainer Falko Götz.

Besonders in der ersten Halbzeit war das Berliner Spiel geprägt von Fehlpässen, die Herthaner demonstrierten erneut, dass sie Probleme haben, das Spiel zu Hause zu gestalten. Die bisher auf gegnerischem Platz sieglosen Gladbacher überraschten mit einer offensiven 3-4-3-Aufstellung und dadurch, dass sie Top-Scorer Marcelinho ohne „Dauerbewacher“ agieren ließen.

Das Übel für die Gladbacher Elf begann sieben Minuten vor dem Halbzeitpfiff. Gilberto flankte, der Klärungsversuch per Kopf vom Gladbacher Christian Ziege landete direkt auf dem Fuß von Reina, der ungehindert das gelb-runde Leder zum 1:0 einschieben konnte. Zur Freude des Deutsch-Italieners, der nach seinem Kreuzbandriss zum ersten mal von Beginn an spielte, ärgerlich für die Männer des holländischen Generals Dick Advocaat, die bis zu diesem Zeitpunkt die bessere Mannschaft stellten. Die Borussen agierten nach dem Rückstand immer unglücklicher, und sie werden sicherlich keinen Trost in der Tatsache finden, dass sie bei den ersten drei Treffern der Berliner die direkte Vorlage gaben. Das 2:0 durch Rafael (54.) war ein direkter Konter, nachdem Ziege und Joris van Hout die Chance zum Ausgleich gemeinsam vereitelten.

Für die Trainer war dies die Schlüsselszene des Spiels mit umgekehrten Vorzeichen. Für Hertha-Trainer Götz ist „mit dem 2:0 der Knoten geplatzt“, so war es aus der Perspektive von Dick Advocaat die Ursache dafür, „dass viele dann gedacht haben, das Spiel sei gespielt“. Und was darauf folgte, habe er als Vereinstrainer noch nicht erlebt. Beim 3:0 durch Alexander Madlung (63.) wehrte zuvor erneut Christian Ziege zu kurz ab.

Dann folgte der große Auftritt von Yildiray Bastürk (1,68 Meter). Per Kopf erzielte er das 4:0 (71.), kurz darauf umkurvte er wie ein Slalomläufer die von Auflösungserscheinungen gekennzeichnete Gladbacher Hintermannschaft und schob den Ball lässig am Borussen-Keeper vorbei ins Netz. Den Endstand markierte Marcelinho durch einen grandiosen Elfmeter: Der Brasilianer lupfte im Zeitlupen-Tempo den Ball ins Tor. So leuchtete nach Partieende der höchste Saisonsieg von den Anzeigetafeln des Olympiastadions.