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Archiv-Artikel

Krank gemobbt, aber keine Entschädigung

Bremer Mobbing-Opfer geht leer aus, weil Gericht keinen physischen Angriff sieht. Niedersachsen hätte gezahlt

Von sim

Bremen taz ■ Er sieht sich als Opfer und will Entschädigung. Vom Staat. So, wie sie jedem Opfer von Gewalttaten in diesem Land zusteht. Horst-Günter Schröder aber ist Mobbing-Opfer. Wurde jahrelang von seinem Arbeitgeber bespitzelt, beschuldigt, schikaniert. Schuppenflechte, schwere Depressionen, Darmentzündung waren die Folge, bestätigen Gutachter, der heute 52-jährige Versicherungsangestellte ist seit 12 Jahren erwerbsunfähig. „Ihre Erkrankung ist nicht streitig“, sagt Richter Theodor Schelhowe vom Landessozialgericht Bremen-Niedersachsen noch. Und urteilt dann trotzdem gegen ihn. Das Bremer Versorgungsamt müsse Schröder keine Entschädigung zahlen, denn ein konkreter körperlicher Angriff, wie ihn das Opferentschädigungsgesetz voraussetzt, sei nicht nachweisbar.

Entscheidend nach dem Gesetz sei nicht, welche Auswirkungen das Mobbing gehabt habe, sondern ob es dabei zu körperlichen Angriffen gekommen sei, sagt Richter Schelhowe. Auch psychische Angriffe, die psychisch-pathologische Reaktionen zur Folge hätten, seien als Gewaltakt im Sinne des Opferschutzgesetzes zu werten, argumentiert Schröder und zieht einen dicken Stapel ärztlicher Atteste aus der Tasche. „Der Verlauf spricht doch für sich.“ „Das mag im Einzelfall durchaus bedauerlich sein“, sagt der Vertreter des Versorgungsamtes. „Aber wir kommen nicht umhin, diesen Anspruch ablehnen zu müssen.“

Drei Millionen Mobbingopfer soll es in Deutschland geben, für Entschädigungen nach dem Opferentschädigungsgesetz müssen die Länder aufkommen. Nicht ohne Grund sei der Anspruchsrahmen damals „bewusst eng gestaltet“ und auf körperliche Angriffe beschränkt worden, sagt der Leiter des Kriminologischen Instituts Niedersachsen und ehemalige SPD-Justizminister des Bremer Nachbarlandes, Christian Pfeiffer: „Man hatte Angst vor finanziellen Konsequenzen.“

Wäre Schröder kein Bremer, sondern Niedersachse – er hätte mehr Chancen gehabt. Denn Bremens Nachbarland hat, gleichsam als Ergänzung zum Opferentschädigungsgesetz, eigene regionale Opferschutzfonds eingerichtet. Über 500.000 Euro, eingenommen aus Bußgeldern, stehen dort jedes Jahr zur Verfügung – explizit auch für Opfer, die nach der bundesgesetzlichen Regelung leer ausgehen. sim