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Archiv-Artikel

„Kraftwerk nicht zukunftsfähig“

Der BUND hat Einspruch gegen das geplante Braunkohlenkraftwerk in Grevenbroich-Neurath eingelegt. Umweltschützer Dirk Jansen erklärt, warum es dabei um mehr geht als den Feldhamster

taz: Herr Jansen, warum sperrt sich der BUND gegen die Zwei-Milliarden-Euro-Investition von RWE für ein neues Braunkohlenkraftwerk in Grevenbroich?Dirk Jansen: Wir sperren uns nicht gegen zwei Milliarden Euro Investitionen in Klimaschutz und zukunftsfähige Technologien, sondern gegen eine Investition, die nicht ins 21. Jahrhundert passt. Ein Braunkohlekraftwerk ist nicht zukunftsfähig.

Es handelt sich aber um eine moderne Anlage, die den CO 2 -Ausstoß um drei Millionen Tonnen im Vergleich zu herkömmlichen Kraftwerken reduziert.

Dieses Argument ist irreführend. Schon jetzt beträgt der Kohlendioxid-Ausstoß in NRW jährlich rund 100 Millionen Tonnen. Wäre es RWE ernst mit dem Klimaschutz, müsste das Unternehmen weniger Kohle verstromen, aber das will RWE ja gar nicht. Im Gegenteil, mit dem geplanten BoA-Kraftwerk würde die Braunkohlennutzung für weitere 40 Jahre zementiert.

Aber wäre ein modernes, schadstoffärmeres BoA-Kraftwerk nicht zumindest ein Schritt in die richtige Richtung?

Das wäre nur ein Scheinkompromiss. Wir brauchen Investitionen in zukunftsfähige Technologien, weg von der Braunkohle, dem Klimakiller Nummer eins, hin zu modernen Gaskraftwerken, Kraft-Wärme-Kopplung, Energieeffizienz. Die Braunkohle ist das Gegenteil einer zukunftsfähigen Technologie.

Laut RWE ist man aber weiterhin auf die Braunkohle angewiesen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Das ist Unsinn. Es gibt Alternativen zur Braunkohle. Wir können durch effiziente Technologien, erneuerbare Energien und Energiesparen den Ausstieg aus der Atomindustrie sowie eine geringere Kohleverstromung auffangen. Im Übrigen führt daran auch gar kein Weg vorbei, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Schließlich steht in allen Regierungserklärungen, dass wir bis 2020 die CO2-Emissionen um 40 Prozent gegenüber 1990 reduzieren wollen. Das haut mit Braunkohle nicht hin.

Dennoch bezeichnete Sie der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Gerhard Papke, als „wild gewordene Naturschützer“, der DGB wirft Ihnen Ignoranz vor.

Papke kann ich nicht ernst nehmen. Weder CDU noch FDP haben ein überzeugendes Energiekonzept. Statt dessen wollen sie die Atomenergie langfristig beibehalten. Das ist energiewirtschaftlicher Dünnschiss.

Aber auch Energieminister Axel Horstmann (SPD) hat die Investitionspläne begrüßt.

Dass die SPD an kohlezentrierter Politik festhält, ist ja nichts Neues. Aber auch Horstmann sollte sich zurückhalten, was den Ausgang des Genehmigungsverfahrens angeht. Darüber hinaus halte ich es für höchst bedenklich, dass sich die Politik von RWE erpressen lässt. Denn RWE hat selbst erklärt, dass eine Investition noch keineswegs feststeht, sondern nur dann getätigt wird, wenn die Auflagen nicht zu hoch sind. Das ist Erpressung.

Doch woran liegt es, dass Sie in der Öffentlichkeit bisher wenig Zustimmung für Ihre Einwände erhalten haben?

Es wird immer ein vermeintlicher Gegensatz aufgebaut zwischen Umweltschutz einerseits und Investitionen andererseits. Die Umweltfrage wird geradezu missbraucht. Dabei sind Ökologie und Ökonomie absolut in Einklang zu bringen. Zudem ist das Argument der Arbeitsplätze falsch: Ein neues Braunkohlenkraftwerk kommt mit einem Viertel der Beschäftigten aus, der Stellenabbau in den Kraftwerken wird nach Plänen der RWE kontinuierlich weitergehen. Demgegenüber könnten allein im Bereich der erneuerbaren Energien und Energiedienstleistungen etwa 300.000 Arbeitsplätze bundesweit entstehen.

Ihnen wird jedoch vorgeworfen, ein paar Feldhamster seien Ihnen wichtiger als die Investitionen.

Leider wird die Diskussion auf den Feldhamster verengt, obwohl es um viel mehr geht, nämlich um die Bewahrung unseres Naturerbes. Der Neubau führt zu einer zusätzlichen Belastung der Bevölkerung durch gesundheitsschädliche Feinstäube, er verstößt gegen die europäische Wasserrahmenrichtlinie. Ausnahmen von diesen Richtlinien wären nur möglich, wenn der Neubau alternativlos wäre und ein übergeordnetes öffentliches Interesse vorläge. Doch beides ist nicht der Fall. Braunkohleverstromung dient nicht dem Allgemeinwohl, sondern wird mit der Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen und der Zwangsumsiedlung zigtausender Menschen erkauft.

INTERVIEW: ULLA JASPER