: Kameraden spielen Feuerwehr
UNTERWANDERUNG „Solche Einstellungen haben bei uns nichts zu suchen“, sagt ein Hauptbrandmeister im mecklenburgischen Wittenburg, wo ein Kameradschafts-Netzwerk bei der Feuerwehr aktiv ist. Hinauswerfen möchte er die Kameraden jedoch nicht
VON ANDREA RÖPKE UND ANDREAS SPEIT
Beim „Marsch gegen linke Gewalt“ in Lüneburg waren sie dabei: glatzköpfige, tätowierte Anhänger des Kameradschafts-Netzwerkes „Widerstand Wittenburg Waschow“. Sie trugen einheitliche Shirts mit Logo drauf, sie brüllten „Nationaler Sozialismus jetzt!“ und provozierten Polizeibeamte, als der Marsch verboten wurde.
Doch die Kameraden um Rainer Stanke können auch anders. Dort wo sie leben, in der Region Wittenburg, sind sie nette, freundliche Nachbarn und ehrenamtlich tätige Gemeindemitglieder. „Ja, in der freiwilligen Feuerwehr sind einschlägige Herren aktiv“, bestätigt Volker Siering, stellvertretender Amtswehrführer und Hauptbrandmeister für Wittenburg.
Keine zehn Autominuten entfernt von Wittenburg liegt der Ort Waschow in der Gemeinde Wittendörp. Ältere Häuser, die nach 1945 um das ehemalige Gut aufgebaut wurden, prägen das Straßenbild. Im Internet deutet sich an, wie selbstsicher die Szene in dieser Gegend Mecklenburg-Vorpommerns agiert. Auf der Website von „Wittenburger Nationale“ und „Freie Nationalisten Waschow“ stellen sich die Verantwortlichen gleich mit Foto vor. „Wir sind national und sozial denkende Bürgerinnen und Bürger im Alter von 16 bis 70 Jahren“, seht dort, und: „Wir sind nicht ausländerfeindlich, sondern inländerfreundlich.“
Die Nationalisten beklagen, dass Lehrer sich mit „viel zu großen Klassen“ herumschlagen müssen, dass Mütter beim Amt um Gelder „rumbetteln“ und Kleingärtner von „nicht deutschem Blut“ bedroht würden. Aussagen, die bei der Feuerwehr offenbar Zuspruch fanden – von den bekennenden „Nationalen“ in der Wehr sind zwei zu Ausbildern für die Jugendlichen befördert worden.
Schon länger fordert NPD-Landeschef und Landtagskandidat Stefan Köster die Kameraden auf, „in die Vereine, freiwilligen Feuerwehren und Sportvereine“ zu gehen. Sich bei der Wehr zu engagieren hat den besonderen Reiz, dass man dann zu denen gehört, die in der Not tatsächlich helfen. Hauptbrandmeister Siering vermutet, dass auch die hierarchische Befehlsstruktur für Rechte reizvoll sein könnte.
„Ich möchte nichts beschönigen, aber auch nichts aufbauschen“, sagt Jürgen Nadzeika (CDU), Bürgermeister der Gemeinde Wittendörp. Er scheint ein Mann des bedachten Handelns zu sein. „Bei unserer Feuerwehr beginnt jetzt die Auseinandersetzung, wie damit umzugehen ist, dass bekennende Rechtsextreme Mitglieder sind.“
Nadzeika und Siering sagen beide, dass ein schneller Rauswurf zu „einfach“ sei. Nicht unberechtigt scheint die Sorge, dass andere Feuerwehrleute dann mitgehen könnten. Glaubt man den Gerüchten, so haben sich schon einige Wehr-Mitglieder mit den Kameraden solidarisiert, nach dem Motto: „Müssen die gehen, gehen wir auch.“ „Wir suchen die Gespräche, um im Einverständnis handeln zu können“, sagt Nadzeika.
In Waschow geht es nicht nur um Politik. Im ländlichen Raum ist die freiwillige Feuerwehr mit Aufgaben der Berufsfeuerwehr vertraut. Sie übernimmt Schutzaufgaben, rückt aus bei Hofbränden, Autounfällen oder umgestürzten Bäumen. Da ist man in der Gemeinde froh, wenn sich überhaupt jemand freiwillig zu diesem zeitintensiven Ehrenamt meldet. Hinter vorgehaltener Hand fragen sich Anwohner aber, was passiert, wenn die rechten Feuerwehrkollegen zu einem Brand in einem „Asylantenheim“ gerufen werden. Oder zu eine Autounfall mit einem „Schwarzen“.
„Wir sind uns dessen sehr bewusst“, versichert Siering. Er wirkt genervt – nicht von den Journalisten, sondern von den Politikern. „Ich bin völlig gegen Rechtsextremisten, solche Einstellungen haben bei uns nichts zu suchen“, sagt der Hauptbrandmeister. Doch die Politiker würden den Rechten doch in die Arme spielen, man denke bloß an Hartz IV und die Bankenkrise. „Uns sagen die Politiker ständig, tut was gegen die NPD, doch dort, wo sie zuständig sind, haben sie völlig versagt.“
Vor Ort hat der Bürgermeister bereits zu einer Veranstaltung gegen die rechten Aktivitäten eingeladen, zusammen mit dem „Regionalzentrum für demokratische Kultur“. Karl-Georg Ohse vom Regionalzentrum weiß, wie schwer es ist, der schleichenden Verankerung von Neonazis entgegenzuwirken. „Solange mein Kind nicht mit gestrecktem Arm durch die Gegend läuft, stört mich das nicht“, habe eine Frau bei der Veranstaltung gesagt, als es um die rechten Jugendausbilder ging. Ist das Ignoranz gegenüber der rechten Szene? Oder sogar Akzeptanz? Gar Solidarität? Pauschale Antworten möchte Ohse nicht geben. „Die Szene bemüht sich sehr, hier anzukommen.“
In der Gemeinde greift die Gruppe um Stanke schon länger die kommunalen Sorgen auf. Sie tritt dabei nicht als NPD auf, sondern als Bürgerinitiative „Zivilcourage – Heute“. Im Mai 2008 suchte die Initiative per Flugblatt Zeugen, als aus einer Gartenkolonie ein Betonmischer entwendet worden war. Ein andermal setzte sie sich für eine „Tafel für Wittenburg“ ein oder warnte vor „Kinderschändern“.
Stanke spielte sich als Kümmerer auf. Seine Frau Michaela schwärmt: „Mein Mann setzt sich ein, mit Zivilcourage.“ Als Bürger müsse man „in der heutigen Zeit eine Initiative zeigen“, und zwar gerade dort, „wo man das eigentlich von den Bonzen erwartet hätte“.
Vor über zwei Jahren sind die Stankes mit ihren Kindern von Rostock nach Wittenburg gezogen. Seitdem bauen sie die Szene auf. Die Beziehungen zur NPD haben sie anfänglich nicht bekannt werden lassen, heute bietet Stanke offen „kostenlose Fahrten“ zum Bürgerbüro von NPD-Landeschef Köster ins nahe Lübtheen an – inklusive Hartz-IV-Beratung.
Stanke bewirbt die Treffen der NPD-Wittenburg und hat bereits schon Fahrten zu Landtagssitzungen in Schwerin angeboten, um zu beobachten, wie sich die örtlichen Mandatsträger beim Thema Sexualstraftaten verhielten.
Für die Feuerwehr könnte die Auseinandersetzung zu einer Zerreißprobe werden. Zwar wirkten bei keiner anderen Feuerwehr in der Region offen Rechtsextreme mit, versichert Hauptbrandmeister Siering. Doch auf der anderen Seite der Elbe, in Niedersachsen, müssen sich die Feuerwehren ebenfalls mit braunen Floriansjüngern auseinander setzen. In Vögelsen im Landkreis Lüneburg schloss sie einen bekannten Rechten aus. Knapp zehn Autominuten weiter in der gleichen Samtgemeinde Bardowick in Handorf darf Alf Börm dagegen bleiben. Der Sohn des NPD-Bundesordnungsleiters Manfred Börm ist selbst in der rechten Szene aktiv, war Anführer bei der verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“.
„Wir haben das im Blick. Agitation duldet die Wehr nicht“, sagt Bardowicks Gemeindebrandmeister Jens Prüße. Die Vorsitzende der SPD Lüneburg, Hiltrud Lotze, befürchtet jedoch, dass Rechtsextremisten durch ihren Eintritt in die freiwillige Feuerwehr Akzeptanz gewinnen könnten.
Lotze ruft die Feuerwehrleute zur Zivilcourage auf: „Wenn ein Aktivist eines verfassungsfeindlichen Vereines Mitglied der freiwilligen Feuerwehr ist und der Gemeindebrandmeister sagt, der halte sich dort zurück, dann erwarte ich von allen anderen Feuerwehrkameraden, dass sie ‚Nein‘ sagen.“